Corona trifft Theater – Online-Abschlusspräsentation des Literaturkurses (Teil 4)

Was wäre eigentlich gewesen, wenn Romeo nicht zu Julia hätte gehen können, weil so eine kleine Pandemie mit Ausgangssperre dazwischengekommen wäre? Und was wäre dann aus Antigone oder Woyzeck geworden?

Der Literaturkurs verrät es in seiner Online-Abschlusspräsentation! Vorstellungen abgesagt – wir machen trotzdem Theater: Eine szenische Collage aus Texten der Weltliteratur hätte in diesem Jahr auf dem Programm gestanden. Hiervon ausgehend haben die Schüler/innen Monologe ihrer Figuren erarbeitet (und in einer Videokonferenz präsentiert). Sie sollten sich vorstellen, dass ihre Figur unmittelbar vor der eigentlich zu spielenden - und bereits eingeprobten - Szene die Nachricht erhält, wegen einer gefährlichen ansteckenden Krankheit sofort in Quarantäne zu müssen.

Die Monologe der Schüler/innen werden bis zu den Ferien in loser Folge auf der Homepage präsentiert. Ältere Beiträge sind im Nachrichten-Archiv zu finden. (J. Hildebrandt)

 

Monolog 3: Truffaldino aus Carlo Goldonis „Der Diener zweier Herren“

Darum geht es: Truffaldino dient zwei Herren auf einmal und verliert den Überblick. Sein Herr Florindo steht unter Mordverdacht, schöpft aber dank eines Briefs neue Hoffnung – lebt das Opfer noch?

Die Situation: Der gefräßige und nun ja, sagen wir etwas weniger intelligente, doch zugleich trotzdem recht raffinierte Diener Truffaldino ist insgeheim nicht nur für einen, sondern gleich zwei Herren tätig, selbstverständlich ohne deren Wissen oder Zustimmung. Sie selbst sind in eine sehr komplizierte Angelegenheit verwickelt, doch das könnte Truffaldino eigentlich nicht „egaler“ sein. Für ihn zählen nämlich hauptsächlich zwei Dinge im Leben: Essen und Geld. Und bisher klappte das eigentlich auch ganz gut. Eines Morgens wird unser Held nun von seinen Arbeitgebern zur Post geschickt. Die Szene setzt hier an.

 

Oh welch Elend! Und dieser Hunger … Ich sollte dringend etwas essen, aber nicht ehe ich nicht diese dämlichen Briefe übergeben habe. „Truffaldino, geh zur Post und hol mir meine Briefe!“, und dann auch noch alle beide von ihnen! Oh, wenn sie nur wüssten, dass ich nicht nur für sie alleine, sondern auch für einen anderen Herren tätig bin, ja dann könnten sie vielleicht verstehen, wie hart ich arbeite und wie viel höher der Lohn für mein schweres Tagewerk ausfallen sollte. Würden sie verstehen, was es bedeutet ei-ein Truffaldino zu sein, ja dann - aber auch nur dann - würden sie auf ihre Knie sinken und Lobeshymnen über mich singen … Aber nein, da sind sie in ihren feinen Anzügen und kommandieren mich herum wie einen räudigen Hund! Doch in meiner Güte vergebe ich ihnen, sie wissen es nun mal nicht besser, die Armen. (Die Angestellte der Poststelle unterbricht ihn.)

(laut) Oh, was sagen, werte Dame? Bin ich etwa an der Reihe? Drei Minuten warten Sie schon sagen Sie? Ach, Sie übertreiben doch! Ich bade lediglich im Donnergrollen meiner Geistesblitze! ---- (Sie unterbricht ihn - mittlerweile recht genervt - erneut) Oh, aber natürlich werte Dame. Ich hätte gerne die Briefe für Federico Rasponi und Florindo Aretusi ---- Wie? ---- Ach ja. Gehen Sie ruhig und suchen Sie die Briefe, ich werde warten. Aber nicht zu lange! Es ist wichtig! Immerhin reden wir hier von den hochgeachteten Herren der Häuser Rasponi und Aretusi! ---- Wie bitte? ---- Sie fragen mich gerade allen Ernstes wer diese Herren sind?! Ja also werte Dame, wenn Sie das nicht wissen, dann müssen Sie wohl zu den gedimmten Lichtern dieser Erde gehören. Nun aber rasch, die Briefe ----

(jemand stürmt aufgebracht in die Post) He, was ist denn jetzt los?! (zu sich) Da stürzt einfach jemand hier in die Post, ja was soll denn dieses Geschrei? Was will dieser Herr denn so plötzlich? (laut) Wer sind Sie denn und was wollen Sie hier?! ---- W-was sagen Sie?! Eine Pandemie ist ausgebrochen?! ---- Aber jetzt warten Sie doch mal, wo wollen Sie denn hin?! Was meinen Sie denn mit Pan-de-mie überhaupt?! (die Person ist schon wieder weg) ---- Nun, da ist er fort… Aber was meinte er nun mit diesem eigenartigen Wort? Was soll das bloß sein? .... (zu der Angestellten rufend) Werte Dame, bringen Sie mir sofort die Briefe, ich muss umgehend zu meinen Dienstherren! Avanti, avanti! ---- Ah, na endlich. Nun sagen Sie mir aber werte Dame, wissen Sie, was Pandemie bedeutet? ---- Wie bitte?! Krankheit … Verderben … Tod?! ... Ich soll in meiner Unterkunft bleiben und darf nur eine einzige andere Person treffen?! Quarantäne?! Aber, gute Dame, wie soll ich denn dann noch in der Gastronomie speisen gehen?! Wie soll ich denn so arbeiten, wo ich doch für zwei Haushalte tätig bin und dabei nur einen sehen darf?! Oh, welch finanzielles Debakel! Was, wenn ich einem von ihnen kündigen muss? Oder noch schlimmer, was wenn die Herren mir kündigen?! Wie soll ich denn dann noch länger für mich sorgen? Ach, Truffaldino, warum?! Warum immer du, Truffaldino! Das Leben, es zermürbt dich … (zur Angestellten, traurig) Ich danke werte Dame, passen Sie auf sich auf!

(er verlässt die Poststelle und tritt auf die Straße hinaus)

Was mach ich nur jetzt, was mach ich denn nur? ----- Mh, wie eigenartig, alle Menschen rennen in die Richtung, d-des (sein Atem stockt, es ist als hätte man ihm einen gehören Schlag verpasst, Herzstillstand) ----- EINKAUFSLADENS! Oh, wie konnte ich es nur vergessen?! Ich muss los, mich eindecken! Wer weiß, wann ich das nächste Mal in die Gastronomie kann, ich muss einkaufen! Ich - ich brauche alles! Würstchen, Käse, Brot, Trockenfrüchte und ---- oh, wie konnte ich es vergessen? Was, wenn ich aufs Örtchen muss und das Toilettenpapier geht zur Neige, was dann?! Ich - für immer gefangen auf den endlosen Weiten meiner Kloschüssel … Ein Graus! Bestimmt ist vom guten Dreilagigen schon alles weg! Ich habe keine Zeit zu verlieren. Auf Truffaldino, vorwärts, vorwärts! Deine Schränke warten gefüllt zu werden und du – jawohl – du wirst überleben!