Corona trifft Theater – Online-Abschlusspräsentation des Literaturkurses (Teil 5)

Was wäre eigentlich gewesen, wenn Romeo nicht zu Julia hätte gehen können, weil so eine kleine Pandemie mit Ausgangssperre dazwischengekommen wäre? Und was wäre dann aus Antigone oder Woyzeck geworden?

Der Literaturkurs verrät es in seiner Online-Abschlusspräsentation! Vorstellungen abgesagt – wir machen trotzdem Theater: Eine szenische Collage aus Texten der Weltliteratur hätte in diesem Jahr auf dem Programm gestanden. Hiervon ausgehend haben die Schüler/innen Monologe ihrer Figuren erarbeitet (und in einer Videokonferenz präsentiert). Sie sollten sich vorstellen, dass ihre Figur unmittelbar vor der eigentlich zu spielenden - und bereits eingeprobten - Szene die Nachricht erhält, wegen einer gefährlichen ansteckenden Krankheit sofort in Quarantäne zu müssen.

Die Monologe der Schüler/innen werden bis zu den Ferien in loser Folge auf der Homepage präsentiert. Ältere Beiträge sind im Nachrichten-Archiv zu finden. (J. Hildebrandt)

 

Monolog 5: Woyzeck aus Georg Büchners gleichnamigem Dramenfragment

Darum geht es: Woyzeck, psychisch instabil und innerlich gespalten, kommt einer Affäre seiner Partnerin Marie auf die Schliche. Diese verspricht sich von einem besser gestellten Mann den lange erträumten sozialen Aufstieg für sich und ihren unehelichen Sohn.

 

(Geht wütend durch den Raum) Ich kann es nicht fassen. Wie konnte sie so etwas nur tun. Dieses Miststück wird dafür büßen, was sie mir angetan hat. Ich habe ihr alles gegeben, was ich konnte und trotzdem betrügt sich mich. (Nachdenklich) Marie. Meine wunderschöne Marie. Sie würde nie so etwas machen. Meine große Liebe würde mir nicht Schaden zufügen. Sie liebt mich! … Sie liebt mich. (Wütend) Sie liebt mich nicht! Das einzige, was sie liebt, ist sich selbst und Geld. Sie liebt noch nicht einmal unser Kind. Alles, was sie will, ist Geld und Gold. Ohne mich wären sie und der Bastard schon längst verhungert. Um an mehr Geld zu kommen, habe ich sogar an diesem Experiment teilgenommen. Nur Erbsen. Immer nur Erbsen. (Traurig) Nein, es kann nicht sein. Ich weiß, sie liebt mich! Wir wollten doch demnächst heiraten. Ich habe all das doch ihr zuliebe getan. Ich würde alles für meine große Liebe tun! Wir werden für ewig zusammen bleiben. (Bleibt stehen und schlägt gegen die Wand) (Beißt die Zähne zusammen) Ich werde sie umbringen. Es muss ein Ende finden. Ich kann nicht weiter mit diesem Gedanken leben. Sie verdient es nicht einmal, durch meine Hand zu sterben. Wegen ihr bin ich so am Ende. Ich habe alles in meiner Macht Stehende für sie getan. Ich wollte, dass sie glücklich ist. Sie hat alles vernichtet, dafür muss sie jetzt büßen. (Verzweifelt) Es ist sehr wahrscheinlich nur ein Missverständnis. Es muss ein Missverständnis sein! Nein … nein … nein. Es stimmt nicht! Meine bezaubernde Marie. Meine wunderschöne Marie. Meine Marie ... würde so etwas nie tun. Ihre wunderschönen Augen würden sich niemals nach anderen lüstern. (Wütend) Ich kann nicht so leben. Ich habe alles für sie aufgegeben. Dieses Flittchen! Sie wird es bereuen, mich betrogen zu haben. Ich werde ihr zeigen, wie es sich anfühlt. (Setzt sich auf einen Stuhl und schaut Richtung Fenster). (Träumerisch) Ihre wunderschönen Haare, wie sie in der Sonne so schön glänzen. Die bezaubernden Augen, in die ich mich immer wieder aufs Neue verliebe. Wie gern ich doch jetzt ihre engelsgleiche Stimme hören. (Steht rasch auf). (Sarkastisch) Engelsgleiche Stimme, ha. Alles, was sie sagt, sind Lügen. Sie hat sich nicht um mich geschert, als ich fort war. (Lehnt sich an eine Wand). (Hoffnungsvoll) Ich muss zu ihr. Es wird sich rausstellen, dass es nur ein Missverständnis ist. Wir werden für ewig glücklich zusammenleben. Ich werde ihr alles geben, was sie sich wünscht. Ich werde für immer für sie da sein und ihr zeigen, wie sehr ich sie liebe. (Greift mit seinen Händen an seinen Kopf und weitet seine Augen) Ha. Ich werde ihr diesen Fehler niemals verzeihen. All die Lügen und ich soll ihr einfach so verzeihen? Wochenlange Qualen, die ich über mich ergehen lassen habe. Dieser ständige Hunger und die Einsamkeit, die ich ertragen musste. Das alles habe ich getan, um jetzt von ihr betrogen zu werden? (Beruhigt sich und legt seine rechte Hand über seine linke Brust) Ich habe es aus Liebe zu ihr getan. Ich würde alles tun, um ihr wunderschönes strahlendes Lächeln zu sehen. Ich halte es nicht aus. Ich muss zu ihr. (Drückt sich von der Wand ab und geht Richtung Tür. Sanft drückt er die Türklinke hinunter. Mit Schwung reißt er die Tür auf und setzt einen Fuß hinaus). (Ausdruckslos) Ich habe die Experimente überstanden, die Krankheit wird mich nicht umbringen. Sollte ich doch an der Krankheit sterben, so werde ich ohne Zweifel sorgenlos sterben. Marie, ich komme zu dir.

(Er verlässt den Raum und schließt die Tür hinter sich. Schnellen Schrittes begibt er sich zu Marie. Im Zwiespalt seiner Gefühle).