Ein grandioser Roman beim Euregio-Schüler-Literaturpreis – Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit

Die Preisverleihung im Rahmen des Euregio-Schüler-Literaturpreises rückt näher, am 15. Mai wird der Sieger in Lüttich ausgezeichnet, der am 18.4. in Visé am Jurytag von den Schülerinnen und Schülern gewählt wird.

Als einer der Favoriten zeichnete sich in den Kritikerrunden das Werk von Benedict Wells ab „Vom Ende der Einsamkeit“ – Grund genug, das Werk einmal kurz vorzustellen.

„Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt kennt der Tod auch mich.“ (S.9)

Mit diesem fulminanten Satz beginnt der Roman. Jules, der Ich-Erzähler, erwacht nach einem schweren Motorradunfall – ein Suizidversuch? – im Krankenhaus. Ans Bett gefesselt erinnert er sich an seine Kindheit und Jugend.

In Rückblicken erzählt er von sich und seinen beiden Geschwistern Marty und Liz. Als Jules zehn Jahre alt ist, kommen seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben – das bis dahin unbeschwerte Leben der drei Kinder gerät durch diese Familienkatastrophe aus den Fugen. Aus dem ehemals forschen Jules wird ein schüchternes Internatskind, der nur mit Mühe seinen Platz im Leben findet. Auch als Erwachsener, der mit zunächst wenig Erfolg in der Musikbranche tätig ist, trauert er seinem Vater nach und übernimmt mehr aus Pflichtgefühl denn ehrlichem Interesse die Leidenschaft des Vaters zur Fotografie. Sein älterer Bruder Marty bringt es zu mehr Erfolg im Leben. Er, der schon früh „Nerdzüge“ trug, wird mit seiner Computerfirma zu einem wohlhabenden Mann. Aber seinen Ticks und Obsessionen, z.B. Türklinken heimlich nach einem merkwürdigen System herunterzudrücken, kann er nicht ablegen, es ist sein Ausdruck der seelischen Verwundung. Und auch Liz, die attraktive älteste Schwester, schafft es nicht, Ruhe und Ordnung in ihr Leben zu bringen: wechselnde Männerbekanntschaften, Drogenkonsum werfen sie immer wieder aus der Bahn.

Jules, Jahre später Verlagslektor, findet seine große Liebe aus der Schulzeit, Alva (wieder) und durchlebt mit ihr und den gemeinsamen Kindern glückliche Zeiten – bis er auch sie an den Tod verliert. Dennoch ist da die Familie, die Geschwister, die Kinder – durch ihr Zusammenwirken kann es ein „Ende der Einsamkeit“ geben.

Dass Wells‘ Roman trotz der vielen Traurigkeiten kein trauriges Buch ist, erklärt die Buchbesprechung auf der Website „Bücherrezensionen“ sehr bewegend:

Gibt es wirklich »Leute, die nur Pech haben, die alles, was sie lieben, nach und nach verlieren«? Und wenn Jules, wie es scheint, zu ihnen gehört, gibt es einen Grund dafür – sei es Schicksal, Zufall, Bestimmung, Ungerechtigkeit, Pech? Als er Alva wieder abgeben muss, verzweifelt er, droht in seiner erneuten Einsamkeit unterzugehen. Jetzt aber trägt ihn die Geborgenheit unter seinen ungleichen Geschwistern. Als Erwachsene haben sie gelernt, Verständnis für einander aufzubringen und einander emotionalen Halt zu geben. Denn »die Einsamkeit in uns können wir nur gemeinsam überwinden«.

Aus den tragischen Ereignissen in Jules' Leben, den daraus entstandenen Ängsten und Erkenntnissen der eigenen Machtlosigkeit erwächst ihm schließlich eine überraschend zuversichtliche, konstruktive Haltung: dass nämlich »in Wahrheit nur ich selbst der Architekt meiner Existenz bin«. Mit hoffnungsvollem Blick nach vorn statt zurück ist er »bereit«, Entscheidungen über seinen weiteren Weg zu treffen, Verantwortung für seine Kinder zu übernehmen – ein Leben zu gestalten, das gar nicht mehr so »falsch« erscheint. (Quelle: https://www.buecherrezensionen.org/buecher/rezension/benedict-wells-vom-ende-der-einsamkeit.htm zuletzt abgerufen am 16.4.2018)

AG Euregio-Schüler-Literaturpreis, Regina Esser-Palm