Großer Andrang bei der Lesung mit Gaël Faye in der Stadtbücherei Eschweiler

Bis auf den letzten Platz besetzt waren die Stühle in der Stadtbücherei, darunter sehr viele Schülerinnen und Schüler, aber auch interessierte Erwachsene.

 

Zunächst stellte Sylvie Schenk, die Initiatorin des Euregio-Schüler-Literaturpreises, das Projekt vor:


Schülerinnen und Schüler aus der Euregio, also Belgien, den Niederlanden und Deutschland, finden sich an ihren jeweiligen Schulen zu Lesegemeinschaften zusammen. Sie lesen und besprechen innerhalb eines halben Jahres sechs für den Preis ausgewählte Bücher in ihrer jeweiligen Muttersprache, davon zwei von deutsch-, zwei von französisch- und zwei von niederländischsprachigen Autoren. Es werden Treffen mit den anderen Schulen, Lesungen mit den Autoren und Kritikerrunden mit professionellen Kritikern angeboten, an denen die Schülerinnen und Schüler teilnehmen. Am Jury-Tag, an dem sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den drei Ländern treffen, wird der/die Preisträger/in anhand von Diskussionen in Arbeitsgruppen und Plädoyers bestimmt. Zum Abschluss findet die feierliche Preisverleihung statt, immer abwechselnd einmal in Belgien, Deutschland oder den Niederlanden.

Das Projekt wurde um „Euregio liest“ erweitert, bei dem die nominierten Schriftsteller auch für „Nicht-Schüler“ Lesungen veranstalten so wie gestern Abend in Eschweiler.


Anschließend stellte Schenk die Übersetzerin Frau Grosse und natürlich den Schriftsteller Gaël Faye vor, dessen Roman „Kleines Land“ eines der sechs nominierten Werke beim diesjährigen Euregio-Schüler-Literaturpreis ist. Gaël Faye erzählt in diesem Werk aus der Perspektive des Protagonisten Gabriel von Bürgerkrieg, Flucht und Vertreibung aus Burundi.


Zunächst las die Übersetzerin den mittlerweile schon fast berühmt zu nennenden Prolog vor, hier ein Ausschnitt, der ein Gespräch zwischen Vater und Sohn Gabriel wiedergibt:


„Kommt der Krieg zwischen Tutsi und Hutu daher, dass sie in verschiedenen Gegenden wohnen?“

„Nein, sie leben ja im selben Land.“

„Dann sprechen sie nicht dieselbe Sprache?“

„Doch, sie sprechen dieselbe Sprache.“

„Vielleicht haben sie nicht denselben Gott?“

„Doch sie haben denselben Gott.“

„Aber ... warum machen sie dann Krieg“

„Weil sie nicht die gleiche Nase haben.“


Die Lesung erfolgte nun abwechselnd in deutscher und französischer Sprache. Es wurde ein Kapitel vorgetragen, in dem von der fröhlichen Geburtstagsfeier des 11-jährigen Gabriel erzählt wird.


Anschließend gab es die Gelegenheit, Fragen zu stellen – das Publikum machte davon lebhaften Gebrauch. Die Fragen an den Autor waren sehr unterschiedlicher Natur. So wurde er nach der Bedeutung des Schreibens, dem Unterschied zwischen dem Schreiben von Musik (er ist in Frankreich ein bekannter Rapper) und Literatur oder der Bedeutung der französischen Sprache gefragt. Manche Fragen nahmen auch die traurige Geschichte und politische Situation seines Heimatlandes in den Blick. Aber auch die aktuelle Bedeutung des Romans im Hinblick auf die Flüchtlingssituation wurde angesprochen, handelt der Roman auch von Krieg, Verfolgung und Flucht. Hier machte Faye anhand einer persönlichen Anekdote deutlich, dass Kinder, die flüchten müssen, in erster Linie Familie, Freunde, Heimat, Traditionen verlassen und deshalb ihre Flucht als äußerst belastend erleben, und weniger weil sie vor Armut oder politischen Verhältnissen fliehen.


Auf alle Fragen antwortete Gaël Faye in einer offenen und persönlichen Weise. Alle Fragen und Antworten wurden auch immer übersetzt, so dass man gut folgen konnte, auch wenn man kein Französisch spricht.

Gegen Ende wurde der Autor gebeten, ob er auch etwas singen würde. Und tatsächlich: Trotz gerade erst überstandener Grippe trug Gaël Faye einen selbstgeschriebenen Rap vor, der das Publikum begeisterte.


Es gab viel Applaus für diesen äußerst sympathischen und sehr authentisch wirkenden jungen Autor.

Wer wollte, konnte sich anschließend sein Buch signieren lassen.



AG ESLP, Regina Esser-Palm