Poetry-Slam im Literaturkurs – Teil 1: „Schau in den Spiegel!“

Im letzten Schuljahr hat sich der Literaturkurs der Q1-11 mit dem Thema „Rassismus“ beschäftigt.

Nachdem bereits einige Monologe der Schüler/innen auf der Homepage veröffentlicht worden sind, folgen nun die Ergebnisse des Abschlussprojekts: Ein Poetry-Slam.

Zunächst setzten sich die Schüler/innen mit einigen Beispielen bekannter Poetry-Slammer/innen auseinander, um so zu einer Definition zu gelangen: Poetry-Slam-Texte sind kurze selbstverfasste Texte, die bei einem Poetry-Slam vorgetragen werden. Im Anschluss wurden dann erste eigene Texte verfasst und deren Präsentation eingeübt. Höhepunkt war der große Abschluss-Slam, bei dem jede/r einen Text zum Thema „Menschenrechte“ präsentierte. Einige Beispiele sollen hier im Laufe des Schuljahres veröffentlicht worden. Die Illustration wurde gestaltet von Rosch Mahmud aus dem Literaturkurs 2017/18.

J. Hildebrandt

 

Ach ja, ich weiß, es ist nervig an die Zukunft zu denken

„Was will ich? Was werd´ ich?“

Ein Labyrinth mit endlosen Türen, sie führen zum

Arzt, Lehrer, Feuerwehrmann/-frau und was nicht auch.

Jetzt stell dir mal vor, du trägst ein Tuch auf dem Kopf

und alle Türen schließen sich.

Tuch ab: Tür auf, Tuch auf: Tür zu.

Und nein, es geht nicht um die Kopftücher, die Gucci-Models

auf´m Laufsteg tragen und damit Profit machen, nein.

Es geht um jenes Kopftuch, jenes Stück Stoff

bei dem dem Menschen das Blut aufkocht und er hofft:

„Oh Gott, ich bete, ich sehe den morgigen Tag noch!“

Joa … sieht zwar genauso aus wie das Tuch der Gucci-Models,

doch statt Standing Ovation heißt es: „Geh zurück in dein Land,

du gehörst hier nicht hin!“

 

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Aha …

Für Hijabs hat dieser Satz schon längst an Bedeutung verloren.

Und wenn es so wäre, wie geschrieben, dann wären die News

„Kopftuchverbot für Juristinnen“ nicht einmal ein Ding.

Tür 1: Geschlossen.

Hoffnung für ‘nen Job, doch „Das Ding auf ihrem Kopf, ab für den Platz!“

Da sieht man ja …

Tür 2: Geschlossen.

Und wenn wir schon von geschlossenen Türen sprechen,

da meine ich das nicht nur bildlich.

Grüße an Frankreich an der Stelle, euer süßer Akzent

versteckt eure hässlichen Hausverbote für Hijabs hier nicht.

Die Tür vor die Nase geklatscht, aber nicht nur das,

sie benutzen ihre Macht noch für was?

Ein Verbot für das öffentliche Tragen des Kopftuchs unter 18.

Da bitte ich doch nochmal um die Definition von Religionsfreiheit!

Oh, ach ja, da hab ich’s wieder:

Ein Recht für alle Nicht-Muslime persönliche Glaubensüberzeugungen

frei und öffentlich auszuüben.

Und wer hier sagt „Das stimmt doch gar nicht“,

denke daran, wie privilegiert er ist

Hijabs überall eingeschränkt, in jedem Lebensbereich

und das Kopftuch wie eine Leine gebunden an einen Pfahl

mit der Aufschrift „Islamophobie“.

 

Eine Religion mit so viel Bedeutung und Tiefe,

doch durch Medien und Vorurteile komplett in den Dreck gezogen.

Oh, hier öffnen sich natürlich die Ohren, bei der Headline:

„Muslime haben sich gegen uns verschworen!“

Und der Gedanke „Vielleicht werde ich ja belogen?“

kam ihnen nicht einmal in den Sinn, aber „Oh Gott, die Hijabi

Auf der Arbeit, die ist doch bestimmt Terroristin!“

Nein, Thomas, sie ist ein normaler Mensch wie du auch.

Das kam dir aber erst in den Sinn nach der Arbeit, als du wohlauf.

Und sie reflektieren nicht mal ihr Verhalten,

denn bei denen weiß man ja nie, nicht wahr?

Genau: Nicht wahr. Denn bevor die meisten überhaupt

in Erwägung ziehen, dass der Islam und Terror nicht

in Verbindung stehen, schubsen sie alle in eine Schublade.

 

Man fragt sich „Warum?“, aber es ist offensichtlich,

dass es für sie einfacher ist, Hass zu verbreiten

als zu akzeptieren, dass wir alle gleich sind.

Ob Kopftuch oder nicht, Burka oder Niqab

Chancengleichheit, Religionsfreiheit sollte für uns alle gleich gelten,

denn die Bedeckung hat einen Zweck und bedeckt nicht

ihre Würde oder Recht, Recht auf Leben und Freiheit

ohne in der Mitte zwischen Existenz und Glaube zu stecken.

Ist das zu viel verlangt? Respekt und Toleranz?

Auf der Straße gehen zu können, ohne von Blicken durchbohrt zu werden,

angespuckt, beleidigt, als ob ein Tuch auf dem Kopf

dir irgendetwas wegnimmt?

Fühlst du dich so bedroht?

Von einem Tuch, das Bescheidenheit und Glauben dient

und dir in keiner Weise im Weg steht?

Ist das gerecht?

Dass Hijabis so viele Steine in den Weg gelegt werden,

während du in ‘ner Kutsche an ihnen vorbeiziehst?

 

Ist die Antwort auf all diese Fragen ja,

dann dreh dich bitte um, schau in den Spiegel

und sag laut „Ich bin islamophob.“

 

Marwat Salifou