Poetry-Slam im Literaturkurs - Text 1 : „Mach doch nicht so’n Theater“

Im letzten Schuljahr hat sich der Literaturkurs der Q1-11 mit dem Thema „Poetry-Slam“ beschäftigt. Die Idee hierzu hatte Sport- und Mathematik-Referendar Tim Mössing, der zusammen mit Julia Bauer, ebenfalls Referendarin, und dem Kurslehrer Jan Hildebrandt eine entsprechende Unterrichtsreihe entwickelte. Zunächst setzten sich die Schüler/innen mit einigen Beispielen bekannter Poetry-Slammer auseinander, um so zu einer Definition zu gelangen: Poetry-Slam-Texte sind kurze selbstverfasste Texte, die bei einem Poetry-Slam vorgetragen werden. Im Anschluss wurden dann erste eigene Texte verfasst. Schließlich hatten die Kursteilnehmer/innen mehrere Wochen Zeit, um einen Text für die große Abschlusspräsentation zu entwickeln. Einige Beispiele sollen hier im Laufe des Schuljahres veröffentlicht werden.

 

MACH DOCH NICHT SO’N THEATER


*gähnen

Nur noch fünf Minuten, wirklich.

(…)

Ja, ich komme jetzt.

Und langsam, ganz langsam

Setze ich einen Fuß vor den ander’n

Auf meine Bühne.


Meine Bühne ist mein Leben.

Meine Bühne, die eigentlich gar keine ist,

Denn sie hat weder Scheinwerfer für’s Licht

Noch Lautsprecher für den guten Ton.

Ich hab ja auch kein Mikro, dabei bräuchte ich ein Megafon.


Guten Morgen, bin ich zu spät?

Oh verdammt, tut mir leid,

Ich hab


Sprache, aber keinen Text.

Ich hab ne Idee, aber kein Skript.

Und niemand sagt, was stört,

Denn ich bin mein eig’ner Regisseur.


Nein.

Ich hab noch nicht gelernt,

Das mache ich morgen, ich muss

Erst noch Hausaufgaben machen,

Ich muss


So vieles sein.

Aus Angst, mein Leben ginge sonst an mir vorbei.


Ja klar, ich kann

Heute Abend auf ihn aufpassen.

Aber ich


Bin am allermeisten ich

Und dabei die große Schwester,

Die weiß immer alles besser.

Ich bin auch eine Freundin,

Ein, zweimal die beste und des Öfteren die Gute.

Die Träumerin, die Gewinnerin, die Loserin.


Was?

Nein, ich weiß noch nicht, was ich werden will.

Ich würde gerne studieren, aber vielleicht

Mache ich auch ein Jahr lang

Was ganz anderes, ich hab doch


Keine Ahnung, was ihr denkt.

Denn ich schreib’ mir die Profile.

Ich steig dann auf meine Bühne.


Es gibt kein Treppchen, keinen Vorhang.

Kein Publikum und erst recht keinen Applaus.


Hey, Süße!

Es tut mir voll leid,

Ich kann leider nicht zu deinem Geburtstag kommen.

Aber trotzdem


Spiele ich Theater.

Oder mein Leben spielt’s mit mir.

Das weiß ich noch nicht ganz genau.


Au!

Diese verfluchte Kacksdreckskante!

Ich weiß, dass die sich seit 17 Jahren

Da befindet, aber


Hey, ich spiele Theater

Und bin dabei mein eigener Berater.

Und das ist gar nicht so einfach,

Denn ich bin keine Frau vom Fach.


Ich komme!

Was gibt’s denn heute? Wieeee?

Ich mag doch keine Lasagne,

Ich hätte viel lieber


Einen Plan.

Aber den gab’s noch nie.

Deshalb

Verpass’ ich meinen Einsatz

Oder spreche viel zu früh

Und dann ab absoluten Quatsch.


Ja, guten Tag. Mein Name ist Termin

Und ich brauche ganz dringend Kopfschmerzen,

Weil ich Louisa hab.



Und dann?

Ärger ich mich drüber.

Denn ich bin doch der Autor.

Schreibe die Geschichte.


Aber manchmal

Muss ich mit Erschrecken feststellen,

Dass alle Marionetten

Auch ohne mich weitertanzen.

Dass die Komparsen nicht einfrieren

Und alle Leute ihr Theater weiterspielen.

Nur dann eben ohne mich.


*gähnen

Und jetzt steh’ ich wirklich auf.


(Louisa Forst)