Poetry-Slam im Literaturkurs - Text 2 : „Realität“

Im letzten Schuljahr hat sich der Literaturkurs der Q1-11 mit dem Thema „Poetry-Slam“ beschäftigt. Die Idee hierzu hatte Sport- und Mathematik-Referendar Tim Mössing, der zusammen mit Julia Bauer, ebenfalls Referendarin, und dem Kurslehrer Jan Hildebrandt eine entsprechende Unterrichtsreihe entwickelte.

Zunächst setzten sich die Schüler/innen mit einigen Beispielen bekannter Poetry-Slammer auseinander, um so zu einer Definition zu gelangen: Poetry-Slam-Texte sind kurze selbstverfasste Texte, die bei einem Poetry-Slam vorgetragen werden. Im Anschluss wurden dann erste eigene Texte verfasst. Schließlich hatten die Kursteilnehmer/innen mehrere Wochen Zeit, um einen Text für die große Abschlusspräsentation zu entwickeln. Einige Beispiele sollen hier im Laufe des Schuljahres veröffentlicht werden. Die vorherigen Texte finden sich im News-Archiv.

Realität

Was soll ich mit der Realität?

Was soll ich mit Schule, Stress und Druck?

Lernen bis zum Umfallen, Prüfungsstress, Ausbildung und 'nem schlecht bezahlten Job?

In meiner Fantasie ist alles besser!

Da kann ich Luftschlösser bauen und niederreißen,

Prinzessin sein, wilde Partys schmeißen,

durch meine pinke Welt mit Zuckerwatte und Eiscreme laufen und wunderschöne Kleider kaufen.

Was soll ich mit der Realität?

Da gibt’s Leid und Hungersnöte,

schwarzen Rauch in der Morgenröte,

verbrannte Felder, Dürre und Stürme,

grausame Überfälle und eingestürzte Türme,

geschlagene Schlachten, die keiner überlebt

und einen eisigen Wind, der den Geruch von Blut rüber weht.

Was soll ich damit?

Warum soll ich auf dem Boden der Tatsachen bleiben,

wenn mein Teppich fliegen kann?

Bis zum Mond und zurück,

sammele ein Sterntalerstück

und hole Milch von der Milchstraße.

Mehr brauche ich doch nicht!

Ich brauche keinen Krieg um Religion,

keine Wollust, keinen Hochmut, Neid und Hohn!

Was soll ich mit Attentätern, die Menschen töten, weil ihr Glaube angeblich der richtige ist?

Was soll ich mit Folter und Blutrunst,

Hass und Missgunst?

Wenn ich Einhörner habe, mit Regenbogenschweif,

Flügel habe wie Tinkerbell und mit Meerjungfrauen schwimmen geh.

Wenn ich alles tun kann!

Ich kann mit dem Hutmacher Tee trinken, dem König zum Abschied winken,

mit Cinderella Kürbiskuchen essen, die Länge von Rapunzels Haaren messen, Dornrösschens Rosen stutzen, mit Schneewittchen das Zwergenhaus putzen,

mit Tarzan durch den Dschungel rennen, Rumpelstilzchen beim Namen nennen,

Schabernack mit Kobolden treiben, an Aladins Lampe reiben, kann ein Riese sein oder wie eine Maus winzig klein!

Bei Merlins Bart, was will ich mehr?!

Ich fliege mit meinem Pegasus, gebe meinem Traumprinzen einen Kuss

und verliere mich wie Alice in meinem kleinen, bunten Wunderland.

Doch ist das wirklich das, was ich will?!

Ist die Realität wirklich so schlimm?!

Gibt es in der Welt wirklich nur schwarz und weiß?

Dann bring ich halt was Farbe rein!

Ich habe Freunde und Feinde, lache und weine,

werde lieben und hassen,

Chancen verpassen,

Fehler machen,

schreiend aus Alpträumen erwachen.

Doch ich werde es schaffen!

Die Realität wird nicht immer einfach sein,

doch es liegt an mir allein,

mich zu entfalten und meine Realität zu gestalten.

Ich hab es in der Hand Dinge zu ändern

und auch wenn ich nicht alles ändern kann

und es schlimm sein wird dann und wann,

ICH bleibe lieber in der Realität!


Natascha Schiffer