Poetry-Slam im Literaturkurs - Text 3 : „Eine Geschichte über unsere Welt“

Im letzten Schuljahr hat sich der Literaturkurs der Q1-11 mit dem Thema „Poetry-Slam“ beschäftigt. Die Idee hierzu hatte Sport- und Mathematik-Referendar Tim Mössing, der zusammen mit Julia Bauer, ebenfalls Referendarin, und dem Kurslehrer Jan Hildebrandt eine entsprechende Unterrichtsreihe entwickelte. Zunächst setzten sich die Schüler/innen mit einigen Beispielen bekannter Poetry-Slammer auseinander, um so zu einer Definition zu gelangen: Poetry-Slam-Texte sind kurze selbstverfasste Texte, die bei einem Poetry-Slam vorgetragen werden. Im Anschluss wurden dann erste eigene Texte verfasst. Schließlich hatten die Kursteilnehmer/innen mehrere Wochen Zeit, um einen Text für die große Abschlusspräsentation zu entwickeln. Einige Beispiele sollen hier im Laufe des Schuljahres veröffentlicht werden. Die vorherigen Texte finden sich im News-Archiv. Die Illustration wurde eigens für die Schulhomepage von Rosch Mahmud gestaltet.

Eine Geschichte über unsere Welt

Lass mich dir eine Geschichte erzählen,

eine Geschichte über unsere Welt.

In der Geld die Welt regiert,

Ausbeutung zur Tagesordnung gehört

und Worten keine Taten folgen.


Wir leben in einer Welt, in der

Atomkraftwerke wieder eingeschaltet werden,

obwohl sie jeden Moment explodieren könnten

und das alles nur, um Geld zu machen.

Zählt das Leben eines Menschen etwa

so viel weniger als einfache Papierfetzen?


Wir leben in einer Welt, in der

mehr Geld in Militär und Waffen gesteckt wird,

als in die Bildung der Kinder,

die unsere Zukunft sichern.

Und Menschen sich abmagern

oder mit Botox vollspritzen, um

tödlichen Schönheitsidealen zu entsprechen.


Wir leben in einer Welt, in der

Geld aus dem Fenster geworfen wird,

während sich andere tagtäglich zu Tode arbeiten,

nur um ein Stückchen Brot kaufen zu können.

Mit einer Politik voller leerer Worte und Versprechungen,

die 3000 Probleme gleichzeitig diskutiert und

hinterher doch zu keinem einzigen eine Lösung findet.


Wir leben in einer Welt, in der

Menschen das Maul aufreißen,

weil sie meinen, es besser zu wissen

und die, die es eigentlich besser wissen,

das Wort nicht ergreifen,

weil ihnen sowieso niemand zuhört.

Menschen sich in ihren Fantasiewelten verschanzen,

weil sie die Realität nicht ertragen können,

Suizid wie der letzte Ausweg scheint

und die Menschenwürde weniger zählt,

als Macht, Geld und Erfolg.


Wir leben in einer Welt, in der

seit Jahrzehnten Kriege herrschen,

um die wir uns nicht scheren,

weil sie uns ja nicht betreffen,

und Menschen bereit sind auf

kaputten, überfüllten Booten zu sterben,

weil sie in ihrer Heimat eh verhungern würden.

Die ganzen Naturzerstörungen will ich

Gar nicht erst aufzählen.

Denn sind wir mal ehrlich:

Was interessiert uns das?

Das ist ja alles so weit weg!


Wir leben in einer Welt voller

Hass und Wut,

Trauer und Angst,

Leiden und Schmerzen,

Verzweiflung und Einsamkeit.


Wir bekämpfen Kriege mit Kriegen,

begegnen Leiden mit Leiden

und anstatt zu helfen, streuen wir

nur noch mehr Salz in die Wunden der Menschen.


Wir zeigen anderen ihre Fehler auf,

doch werten es selbst als persönliche Beleidigung,

wenn jemand es wagt, uns zu kritisieren.


Wir benutzen jeden Tag Worte,

wie Schlampe oder Hurensohn,

aber Danke, Bitte und Entschuldigung

gehören zu den schwierigsten Fremdwörtern,

weil wir nie gelernt haben, sie zu benutzen.

Und wenn wir ehrlich sind,

wollen wir das auch gar nicht,

denn womit haben andere unser

Danken, Bitten und Entschuldigen verdient?


Und hinterher fragen sich dann wieder alle,

wo doch die Menschlichkeit der anderen geblieben ist.


Unsere Welt ist kalt, gefühllos,

... schrecklich ...

Und wir akzeptieren diesen Zustand,

weil wir glauben, nichts ändern zu können.


Aber was wäre, wenn

wir mit einem Lächeln in die Welt gehen würden?

Wenn wir jeden Tag eine gute Tat vollbringen würden?

Wenn wir lieben statt hassen,

lachen statt weinen,

gönnen statt neiden,

zusammenhalten statt bekriegen

und respektieren statt diskriminieren?


Könnten wir dann diese Welt nicht

ein Stückchen besser machen?



Laura Schubert