Poetry-Slam im Literaturkurs - Text 4 : „Jetzt bin ich frei“
Jetzt bin ich frei…
6 Uhr, Zeit um aufzustehen,
Zeit, dem Alltag nachzugehen.
Alles wie immer.
Doch plötzlich ist etwas anders,
ich kann das nicht mehr.
Ich muss hier weg,
ich mach‘ doch nur immer das gleiche.
Endlosschleife.
Wovon soll ich später erzählen?
Vom letzten Urlaub?
Zwei Wochen pauschal in der Türkei?
War‘s das?
Um mich herum war zwar alles falsch,
dafür all in
und damit die Freiheit, einen Cocktail zu trinken.
Mittags. Abends. Jederzeit.
Alles bezahlt, Spaß und Freiheit.
Einmal Leben bitte, pauschal?
Wovon ich gerne erzählen würde,
wäre das Überwinden der Hürde:
Zurücklassen, was ich nicht brauche.
Die Winterjacken, die Plastikdosen,
Texte von den Toten Hosen,
CDs mit Liedern, die keiner hört,
Geburtstagskarten mit verstellbaren Zahlen,
die Aufforderung zu den nächsten Wahlen,
die Steuererklärung vom letzten Jahr.
Ich folge der Stimme, die in mir klingt,
die mir mein Lied von Freiheit singt,
man braucht nicht viel um frei zu sein,
einfach raus, ins wahre Leben hinein.
Zur Tür hinaus, und immer weiter,
mich draußen erleben und ausprobieren,
den Flug der Schwalben
und den Lauf der Bäche studieren.
Dem Wind folgen.
Und den Regenwolken.
Alleine schreien.
Alleine schweigen.
Und dann
die Gipfel der Berge ersteigen,
die Gebirge sind stumme Meister
und machen schweigsame Schüler.
Stammt nicht von mir, ist von Goethe.
Der hat das längst gewusst,
dass man die Freiheit erarbeiten muss.
Reim‘ ich zu viel?
Nicht alles, was sich reimt, ist gut.
Zur Freiheit braucht man eben Mut!
Was würde mir die Freiheit rauben?
Meinen Blick vom Balkon.
Das „Guten Morgen“ in der Straßenbahn.
Die Zeitung am Kiosk.
Das Tablett in der Kantine.
Die Pflanze in meinem Büro.
Meine Kollegen.
Meine Freunde.
Die Frau an der Kasse im Supermarkt.
Meinen Alltag.
Mein Gerüst.
Meinen Halt.
Meine Träume.
Vielleicht ist Freiheit kein Geschenk.
Sondern ein Luxusgut.
Für
Mutige.
Die Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann.
Vielleicht bleib‘ ich nur bei dem, was ich so leisten kann.
(Anonym)