Poetry-Slam im Literaturkurs - Text 4 : „Jetzt bin ich frei“

Im letzten Schuljahr hat sich der Literaturkurs der Q1-11 mit dem Thema „Poetry-Slam“ beschäftigt. Die Idee hierzu hatte Sport- und Mathematik-Referendar Tim Mössing, der zusammen mit Julia Bauer, ebenfalls Referendarin, und dem Kurslehrer Jan Hildebrandt eine entsprechende Unterrichtsreihe entwickelte. Zunächst setzten sich die Schüler/innen mit einigen Beispielen bekannter Poetry-Slammer/innen auseinander, um so zu einer Definition zu gelangen: Poetry-Slam-Texte sind kurze selbstverfasste Texte, die bei einem Poetry-Slam vorgetragen werden. Im Anschluss wurden dann erste eigene Texte verfasst. Schließlich hatten die Kursteilnehmer/innen mehrere Wochen Zeit, um einen Text für die große Abschlusspräsentation zu entwickeln. Einige Beispiele sollen hier im Laufe des Schuljahres veröffentlicht werden. Die vorangegangenen Texte sind im News-Archiv zu finden. Die Illustration wurde eigens für die Schulhomepage von Rosch Mahmud gestaltet.

(J. Hildebrandt)

Jetzt bin ich frei…


6 Uhr, Zeit um aufzustehen,

Zeit, dem Alltag nachzugehen.

Alles wie immer.

Doch plötzlich ist etwas anders,

ich kann das nicht mehr.

Ich muss hier weg,

ich mach‘ doch nur immer das gleiche.

Endlosschleife.

Wovon soll ich später erzählen?

Vom letzten Urlaub?

Zwei Wochen pauschal in der Türkei?

War‘s das?

Um mich herum war zwar alles falsch,

dafür all in

und damit die Freiheit, einen Cocktail zu trinken.

Mittags. Abends. Jederzeit.

Alles bezahlt, Spaß und Freiheit.

Einmal Leben bitte, pauschal?

Wovon ich gerne erzählen würde,

wäre das Überwinden der Hürde:

Zurücklassen, was ich nicht brauche.

Die Winterjacken, die Plastikdosen,

Texte von den Toten Hosen,

CDs mit Liedern, die keiner hört,

Geburtstagskarten mit verstellbaren Zahlen,

die Aufforderung zu den nächsten Wahlen,

die Steuererklärung vom letzten Jahr.

Ich folge der Stimme, die in mir klingt,

die mir mein Lied von Freiheit singt,

man braucht nicht viel um frei zu sein,

einfach raus, ins wahre Leben hinein.

Zur Tür hinaus, und immer weiter,

mich draußen erleben und ausprobieren,

den Flug der Schwalben

und den Lauf der Bäche studieren.

Dem Wind folgen.

Und den Regenwolken.

Alleine schreien.

Alleine schweigen.

Und dann

die Gipfel der Berge ersteigen,

die Gebirge sind stumme Meister

und machen schweigsame Schüler.

Stammt nicht von mir, ist von Goethe.

Der hat das längst gewusst,

dass man die Freiheit erarbeiten muss.

Reim‘ ich zu viel?

Nicht alles, was sich reimt, ist gut.

Zur Freiheit braucht man eben Mut!

Was würde mir die Freiheit rauben?

Meinen Blick vom Balkon.

Das „Guten Morgen“ in der Straßenbahn.

Die Zeitung am Kiosk.

Das Tablett in der Kantine.

Die Pflanze in meinem Büro.

Meine Kollegen.

Meine Freunde.

Die Frau an der Kasse im Supermarkt.

Meinen Alltag.

Mein Gerüst.

Meinen Halt.

Meine Träume.

Vielleicht ist Freiheit kein Geschenk.

Sondern ein Luxusgut.

Für

Mutige.

Die Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann.

Vielleicht bleib‘ ich nur bei dem, was ich so leisten kann.

(Anonym)