Tabea Naeven im Interview

“Die Nacht am See”, so heißt das diesjährige Musical der Oberstufenschüler und -schülerinnen des Städtischen Gymnasiums Eschweiler. Geschrieben wurde es von der 20-jährigen Tabea Naeven, die 2015 an der Schule ihr Abitur absolvierte. Jetzt studiert die gebürtige Eschweilerin in Münster Musik und Mathematik auf Lehramt. Das Musical handelt von vier Jugendlichen im Alter von 16 bis 20, die versuchen, ihren Platz im Leben und in der Berufswelt zu finden. Neben der Auseinandersetzung mit verschiedenen Lebensentwürfen bietet das Stück auch Lokalkolorit, z.B. durch das Großelternpaar, das sich in seiner Jugend beim Schützenfest im Dorf nähergekommen ist oder durch eine Szene an der RWTH. In einem Interview, das die Oberstufenschülerin Juliana Langen führte, gewährte uns die Autorin und Liedermacherin aus Leidenschaft einen Einblick in die Hintergründe des außergewöhnlichen Musicals, dessen Uraufführung man am 08. /09.Juli im “Städti”erleben kann.

 

J. Langen: Warum sollen die beiden Aufführungen hier am “Städti” stattfinden?

 

T. Naeven: Beim Schreiben hatte ich noch kein konkretes Ziel, wo oder ob das Musical überhaupt aufgeführt werden soll. Am Ende fand ich es aber zu schade, so viel Arbeit einfach wegzuwerfen. Dann habe ich überlegt, wer denn Lust darauf haben könnte und da ich ja noch viele aus dem Schulchor kenne, dachte ich mir, dass sich das anbietet.

 

J. Langen: Wie bist du zur Musik und zum Schreiben gekommen?

 

T. Naeven: Ich war in der musikalischen Früherziehug bei uns im Dorf. Mit sechs Jahren habe ich angefangen, Klavierunterricht zu nehmen. Ich wollte, glaube ich, auch Klavier spielen, aber natürlich haben meine Eltern mich auch dazu gebracht, was in dem Alter ja klar ist. Den Unterricht habe ich dann acht Jahre lang genommen. Mit Chorgesang in Kontakt gekommen bin ich das erste Mal, als ich in der sechsten Klasse zu Frau Zumbroich in den Schulchor gekommen bin. Seit ich 2012 dem Jugendchor Lautstark in Weisweiler beigetreten bin, habe ich mich insgesamt in Chormusik verliebt. Das erste, was ich also in Münster vor meinem ersten Studientag gemacht habe, ist einen Chor zu suchen. Wirklich selbst etwas schreiben tu ich, seit ich zehn oder elf bin, aber die ersten vernünftigen Lieder sind mit circa 14 entstanden.

 

J. Langen: Was würdest du selbst als deine größten musikalischen Erfolge bezeichnen?

 

T. Naeven: Das hier. Diese Produktion. Außerden habe ich schon einmal ein halbstündiges Programm in Münster auf einer Kleinkunstbühne gespielt und das kam richtig gut an und danach haben ganz viele nach meinem Kontakt gefragt.Überhaupt, selbst mal eigenes Zeug zu performen. Ich habe ja immer mal wieder eigene Lieder irgendwo gespielt (zum Beispiel auch bei Schulkonzerten hier am “Städti”), aber wirklich eine halbe Stunde Programm zu machen ist etwas ganz anderes. Das macht echt Spaß, wenn du irgendwann merkst, wie das Publikum dich kennenlernt und auch auf dich reagiert.

 

J. Langen: Zurück zum Musical: Wann ist das entstanden?

 

T. Naeven: Das älteste Lied aus dem Musical ist von 2012. Man kann sich seinen eigenen Teil dazu denken, welches das ist, wenn man das Musical gesehen hat. Aber das erste Lied, bei dem ich wirklich dachte: “Hey, das hat Musicalpotenzial!” war von 2014. Da habe ich das Lied “Fliegen” geschrieben und da dachte ich: Das ist zwar schon authentisch in Bezug auf eigene Erlebnisse, aber Nichts, was in so ein Bühnenprogramm passen würde. Das passt nicht zu meinem anderen Zeug. Das klingt nach einem Charakter. Dann dachte ich: Wieso machst du nicht noch mehr von diesem Charakter?

 

J. Langen: Das Musical war ja noch nicht fertig, als du auf uns zugekommen bist. Hast du noch alles einfließen lassen können, was du wolltest?

 

T. Naeven: Nein, das ging schon. Das finale Lied war noch nicht ganz fertig, ich wusste zwar genau, was jeder Charakter sagen sollte, aber das ist ja textlich dann doch sehr klar strukturiert mit dieser Mosaikform am Ende. Die Umsetzung davon – das in die richtige Form mit der richtigen Melodie in der richtigen Höhe - das war ein Krampf. Das hat Monate gedauert. Sowohl “Studenten der RWTH” als auch “Beeindruckend schlecht” sind komplett entstanden, nachdem wir uns getroffen hatten, weil ich dachte, da muss noch mehr Spaß rein!

An einer Stelle im Musical wollte ich auch ein Statement abgeben zur Ehe für alle, die es, als ich das schrieb, noch nicht gab. Da musste ich später dann eine Streitszene noch etwas umschreiben, aber ich glaube das hat ganz gut funktioniert.

 

J. Langen: Und wie bist du auf die Idee gekomen? Was hat dich inspiriert, dieses Musical zu einem Musical zu machen?

 

T. Naeven: Der erste Gedanke war wie gesagt dieses Lied, das einen Charakter brauchte. Und dann dachte ich, ohne Handlung ist das ja auch doof. Zu dieser Zeit stand ich ja selbst ein Jahr vor meinem Abi, jetzt stehe ich zweieinhalb Jahre im Studium. Das ist genau die Zeitspanne, die die Erlebnisse im Musical umfassen. Genau diese hab ich in der Zeit des Schreibens durchlebt. Dementsprechend alles oft wieder umgeworfen, neu strukturiert, Charaktere rausgeschmissen, ausgetauscht und verändert. Die Inspiration dazu war, zu überlegen: Was habe ich denn an mir und vor allem auch an Freunden und Leuten, die mich umgeben für verschiedene Sichtweisen auf die Zukunft – was für Ängste, was für Hoffnungen gesehen? Ich habe zwar versucht, alle Hauptcharaktere vielschichtig zu halten, aber an sich habe ich das, was in jedem menschlichen Charakter in unterschiedlichen Teilen vorhanden ist, aufgeteilt auf vier Typen. Du hast einmal die Ratio bei Alex. Komplett rational – so denke ich auch manchmal, ich sage das dann nicht so direkt, aber ich denke manchmal so. Dann hast du Chris, die halt immer “durchpusht”, aber nicht so wirklich den Plan hat, du hast die Melancholie bei Maya und du hast Basti, der der Normale ist, und sich denkt,: Was macht jetzt mich aus, wenn diese Teile von mir schon da sind. Und andererseits gibt es diese Weltsichten von “Ich weiß genau, was ich will, aber mir steht etwas im Weg.” , “Mir steht nichts im Weg, mir geht es eigentlich ganz gut, aber ich weiß nicht, was ich will”, einmal “Ich dachte, ich weiß, was ich will, aber jetzt muss ich abbrechen” und “Ich weiß, was ich will, kann es machen und mache es dann auch.” Das sind die vier Denkansätze, die ich darin gesehen habe.

 

J. Langen: Und der aufgeteilte Charakter, den du beschreibst, bist das du oder ist das jeder von uns?

 

T. Naeven: Ein bisschen jeder. Ich habe versucht, es allgemein zu halten, denn wie es wirklich drinnen aussieht, weiß ich nur bei mir, aber man kennt ja die Leute und Geschichten um einen herum ganz gut und nimmt von da natürlich auch Inspiration, aber dann habe ich doch versucht, recht allgemein zu beschreiben, was in einem Jugendlichen, der nach dem Abitur steht, vor sich geht.

 

J. Langen: Und hat die Geschichte persönliche Einflüsse von Dir? Also gibt es Geschichten, die so oder annähernd so wirklich passiert sind?

 

T. Naeven: Ob ich mich jetzt nachts schonmal rausgeschlichen habe? Man weiß es nicht... Aber nein, ich habe mich nicht zum See rausgeschlichen, zumindest nicht zum Blausteinsee. Was ich immer hatte, war ein Ferienlager in Schweden, wo wir auch direkt am See waren und nachts an einem See zu sitzen hat immer etwas Magisches. Vor allem, wenn der See ganz ruhig liegt und sich der Vollmond und die Bäume perfekt spiegeln. Als wäre es ein Spiegel, weil es so ruhig ist im Wasser. Da kommen ganz andere Gespräche zustande. Und ich glaube auch, dass das da reingewirkt hat.

 

J. Langen: Abschließend noch: Was erhoffst du dir von deiner Zukunft und vor allem auch von diesem Musical?

 

 

 

T. Naeven: Von dem Musical erhoffe ich mir, dass wir daran ganz klischeehaft einfach Spaß haben und uns so richtig in die Charaktere reinleben. Und ein Konstrukt und Charaktere, die man vier Jahre lang im Kopf hatte zum Leben erweckt auf einer Bühne zu sehen, ist so merkwürdig. Ich hatte vorher viele Sorgen, zumal ja keiner von euch ein Profi ist, aber ich bin bisher eher positiv überrascht. Ich hatte etwas Sorge um die komödiantischen Elemente mit Alex, weil, wenn man das falsch rüberbringt, kommt das einfach nur komisch, aber es passt überraschend gut. Ansonsten würde ich gerne mehr Kleinkunst machen. Ich habe hierdurch aber auch gemerkt, dass es mir fast noch mehr Spaß macht, im Hintergrund zu stehen, das möchte ich auch gerne mehr machen. Ich schreibe gerne, auch Geschichten und Handlungen. Bestimmt kommt in zehn Jahren oder so noch einmal ein Musical – und dann ein besseres! Ich hoffe, mit “Die Nacht am See” dann zufrieden zu sein, denn das ist oft das Schwierigste.

 

J. Langen: Vielen Dank!

 

T.Naeven: Keine Ursache.