Fach und Fachschaft Philosophie

"Sagen sie uns bitte, was Philosophie eigentlich ist!"1


Mit dieser Frage eines Schülers leitet das jüngst erschienene Buch Philosophieunterricht ein Kapitel ein. Den fragenden Schüler bedrängt hier ein Problem. Ihm geht es um das Eigentliche der Philosophie. Der Schüler weiß nicht so recht, was er unter dem Fach Philosophie verstehen soll. Er will aber wissen, was Sache ist. Und er fragt intuitiv ganz richtig, nach dem >Was<, nach dem Wesen, der Essenz, der Philosophie. Insofern ist dem Schüler nicht unbedingt geholfen, wenn der Lehrer ihn auf den etymologischen Ursprung des Wortes verweist, philosophía, was Liebe zur Weisheit bedeutet - Wikipedia sagt ihm das Gleiche. Eine andere Weise, die Frage nach dem Wesen der Philosophie zu beantworten, wäre, zu erklären, dass wir im Fach Philosophie Fragen nachgehen, die andere Wissenschaften vernachlässigen, die gewissermaßen vor den Naturwissenschaften liegen. Hier böte sich die Gelegenheit, dir vier berühmten Fragen des Königsberger Philosophen Kants aufzuwerfen, die da lauten:

"Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?

Der geschulte Lehrer wird dem Schüler (mit Kant) zur Erkenntnis verhelfen, dass die erste Frage die philosophische Disziplin der Metaphysik (Erkenntnistheorie) beantwortet, die zweite die Moralphilosophie, die dritte die Religion und die vierte die Anthropologie. Weiterhin, dass sich die ersten drei Fragen auf die letzte, auf die Frage nach dem Menschen beziehen. Nun hat der Schüler Frageräume erfahren, aber weiß er nun, was Philosophie eigentlich ist? Mitunter mag ein Beispiel helfen:

Wenn ich den Menschen als Werkzeug und Geschöpf Gottes ansehe, und unter dieser Wesensbestimmung des Menschen die übrigen Fragen beantworten würde, käme ich womöglich zu folgenden Antworten. (1) Was kann ich wissen? Was Gott, wenn er nicht würfelt, mich wissen lässt. (2) Was soll ich tun? Was Gott befiehlt.2 (3) Was darf ich hoffen? Das ewige Leben. Die Wesensbestimmung des Menschen grenzt hier den Raum der Antworten ein. Wenn man dagegen wie Nietzsche davon ausgeht, dass der Mensch, "in irgendeinem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernden Weltalls" haust, auf dem er mit anderen "kluge[n] Tieren [meint: Menschen], das Erkennen erfand[...]"3, werden sich andere Antworten auf die Fragen Kants ergeben: Die Gewissheit fällt weg. Es gibt keine Wahrheit mehr, es bleiben Wahrheiten. Der Mensch ist auf sich selbst zurückgeworfen, zur Freiheit verdammt, wie Sartre es in der Nachfolge Nietzsches genannt hat.

Die oben kurz angerissenen Positionen sind nicht harmonisch zu vereinen, sie liegen im Widerstreit, ein Widerstreit, der im Philosophieunterricht nicht gelöst, aber durch Fragen erörtert wird: Was gewinnt der Mensch auf der einen, was verliert er auf der anderen Seite, indem er sein Wesen so oder so bestimmt / bestimmen lässt? Weiß der Schüler jetzt, was (die) Philosophie ist? Nein - selbst wenn er sich die philosophische Einteilung der Philosophie Kants gemerkt haben sollte -aber er hat mitunter selbst erfahren, was Philosophieren auszumachen vermag. Er hat das Philosophieren kennengelernt als grundlegendes Fragen, als perspektivisches Deuten aufgrund von bestimmten Voraussetzungen (Wesensbestimmungen), die sich verschieden niederschlagen. Philosophieunterricht fordert keine Bekenntnisse, er fordert das Selbstdenken ein, im besten Fall befähigt er Schülerinnen und Schüler, "sich [ihres Verstandes] [...] ohne Leitung eines andern zu bedienen."4



1 Fröhlich, Michael, Langebeck, Klaus, Ritz, Eberhard (2014). Philosophieunterricht. Eine situative Didaktik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. S.

2Bezogen auf: "Gut ist, was Gott befiehlt": Wittgenstein, Ludwig (1984). Wittgenstein und der Wiener Kreis. Gespräche aufgezeichnet von Friedrich Waismann. Frankfurt am Main: Suhrkamp. (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 503). Werkausgabe Band 3. S .115.

3 Nietzsche, Friedrich (1997). Werke in drei Bänden. Hgg. v. Karl Schlechta. Darmstadt: WBG. (Lizenzausgabe). Band III. S.309ff.

4Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? DB Sonderband: Kant: Werke, S. 1693. (vgl. Kant-W Bd. 11, S. 53).

 

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