Poetry-Slam im Literaturkurs - Text 1 : „Mach doch nicht so’n Theater“
MACH DOCH NICHT SO’N THEATER
*gähnen
Nur noch fünf Minuten, wirklich.
(…)
Ja, ich komme jetzt.
Und langsam, ganz langsam
Setze ich einen Fuß vor den ander’n
Auf meine Bühne.
Meine Bühne ist mein Leben.
Meine Bühne, die eigentlich gar keine ist,
Denn sie hat weder Scheinwerfer für’s Licht
Noch Lautsprecher für den guten Ton.
Ich hab ja auch kein Mikro, dabei bräuchte ich ein Megafon.
Guten Morgen, bin ich zu spät?
Oh verdammt, tut mir leid,
Ich hab
Sprache, aber keinen Text.
Ich hab ne Idee, aber kein Skript.
Und niemand sagt, was stört,
Denn ich bin mein eig’ner Regisseur.
Nein.
Ich hab noch nicht gelernt,
Das mache ich morgen, ich muss
Erst noch Hausaufgaben machen,
Ich muss
So vieles sein.
Aus Angst, mein Leben ginge sonst an mir vorbei.
Ja klar, ich kann
Heute Abend auf ihn aufpassen.
Aber ich
Bin am allermeisten ich
Und dabei die große Schwester,
Die weiß immer alles besser.
Ich bin auch eine Freundin,
Ein, zweimal die beste und des Öfteren die Gute.
Die Träumerin, die Gewinnerin, die Loserin.
Was?
Nein, ich weiß noch nicht, was ich werden will.
Ich würde gerne studieren, aber vielleicht
Mache ich auch ein Jahr lang
Was ganz anderes, ich hab doch
Keine Ahnung, was ihr denkt.
Denn ich schreib’ mir die Profile.
Ich steig dann auf meine Bühne.
Es gibt kein Treppchen, keinen Vorhang.
Kein Publikum und erst recht keinen Applaus.
Hey, Süße!
Es tut mir voll leid,
Ich kann leider nicht zu deinem Geburtstag kommen.
Aber trotzdem
Spiele ich Theater.
Oder mein Leben spielt’s mit mir.
Das weiß ich noch nicht ganz genau.
Au!
Diese verfluchte Kacksdreckskante!
Ich weiß, dass die sich seit 17 Jahren
Da befindet, aber
Hey, ich spiele Theater
Und bin dabei mein eigener Berater.
Und das ist gar nicht so einfach,
Denn ich bin keine Frau vom Fach.
Ich komme!
Was gibt’s denn heute? Wieeee?
Ich mag doch keine Lasagne,
Ich hätte viel lieber
Einen Plan.
Aber den gab’s noch nie.
Deshalb
Verpass’ ich meinen Einsatz
Oder spreche viel zu früh
Und dann ab absoluten Quatsch.
Ja, guten Tag. Mein Name ist Termin
Und ich brauche ganz dringend Kopfschmerzen,
Weil ich Louisa hab.
Und dann?
Ärger ich mich drüber.
Denn ich bin doch der Autor.
Schreibe die Geschichte.
Aber manchmal
Muss ich mit Erschrecken feststellen,
Dass alle Marionetten
Dass die Komparsen nicht einfrieren
Und alle Leute ihr Theater weiterspielen.
Nur dann eben ohne mich.
*gähnen
Und jetzt steh’ ich wirklich auf.
(Louisa Forst)