Individuelle Förderung/ Begabungsförderung
Einst schrieb Albert Einstein auf die Frage, woher seine wissenschaftliche Begabung komme, in einem Brief an Carl Seelig (11. März 1952): "Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig." (zitiert nach: de.wikiquote.org/wiki/Albert_Einstein, letzter Zugriff am 15.08.2024). Mit seiner Aussage verdeutlicht Einstein einen Aspekt, den auch verschiedene Hochbegabungsmodelle berücksichtigen, nämlich dass Neugier und intrinsische Motivation entscheidende Faktoren für die Entfaltung und Entwicklung von Begabung und Talent sind.
Inhaltsübersicht
1. Individuelle Förderung und Begabtenförderung am SGE
2. Rechtliche Grundlage
3. Was ist Begabung bzw. Hochbegabung?
4. Hochbegabungsmodelle
5. Wer ist (hoch-)begabt?
6. Beratung und Kontakt am SGE
7. Literatur und Internetquellen
1. Individuelle Förderung und Begabtenförderung am SGE
Sapere aude!
Meist kennt man den Leitpruch der Aufklärung in der Übersetzung "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!", doch damit erschöpft sich die Aussage dieses lateinischen Spruches noch nicht. "Audere" bedeutet neben "wagen, den Mut zu etwas haben" auch "Lust haben, begierig sein, wollen" und "sapere" heißt nicht nur "verstehen", sondern auch "verständig, klug sein, kennen, wissen".
Und ganz im Sinne von Einsteins Zitat möchten wir am SGE alle Schülerinnen und Schüler ermutigen: Sapere aude! Habe Spaß daran, etwas zu wissen! Wage es, klug zu sein!
Wir bieten verschiedene Maßnahmen und vielfältige Angebote von Klasse 5 bis zur Q2 sowohl im Unterricht und in der Schule als auch außerunterrichtlich und außerschulisch an. Sie alle zielen darauf ab, unsere Schülerinnen und Schüler zu unterstützen und optimal zu fördern, damit sie ihre individuellen Begabungen, Potentiale und Talente bestmöglich entwickeln können.
Interessen- und Talentförderung: AGs, Workshops, Wettbewerbe, Aufführungen und Konzerte in den verschiedenen Bereichen, wie Literatur, Kunst, Musik oder Sport, um den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, ihre Leidenschaften zu entdecken und weiterzuentwickeln.
Fachspezifische Unterstützung: In Form von Profilkursen, Förder-/Forderkursen oder Mentoring durch Lehrkräfte unterstützen wir gezielt das Wissen und Können in den jeweiligen Fachgebieten, um individuelle Stärken auszubauen.
Enrichment: Wir bieten begabten Schülerinnen und Schülern zusätzliche und anspruchvolle Lerninhalte an, um sie intellektuell herauszufordern. Beim sog. "Drehtürmodell" verlassen die Schülerinnen und Schüler ihren regulären Unterricht, um an speziellen Förderangeboten teilzunehmen (z.B. besuchen sie beim "Doppellernen" abwechselnd den Französisch- bzw. Lateinunterricht).
Akzeleration: Wir beraten und unterstützen, um den schulischen Lernweg und die Lerninhalte dem individuellen Tempo und Fähigkeiten begabter Schüler*innen und Schüler anzupassen.
Ganzheitliche Förderung: Wir fördern soziale Kompetenzen (Soziales Lernen (SL), Projekte zur Teamarbeit, etc.), unterstützen die Entwicklung der Selbstkompetenz und Entfaltung der individuellen Potentiale durch individuelle Beratung und Unterstützung (SL, Beratungsmöglichkeiten: Schulsozialarbeit, Berufsberatung, Talentscouting). Wir bieten praxisnahe Lernangebote (z.B. JIA, Exkursionen oder Experimente, Lesementoring).
Entwicklung von Lern- und Arbeitsstrategien: Durch Training und gezielte Informationen zu effektiven Lernmethoden (z.B. Wie lerne ich am besten Vokabeln?), Zeitmanagement und Präsentationstechniken helfen wir unseren Schülerinnen und Schülern, ihre Lernstrategien zu optimieren. Diese Kompetenzen können sie bei Projektarbeiten weiterentwickeln: Sie analysieren eine anregende Fragestellung oder ein komplexes Problem, entwickeln daraufhin Lösungsansätze und präsentieren ihre Ergebnisse. Besonders begabte Schülerinnen und Schüler erhalten dabei die Möglichkeit, ihre kreativen und analytischen Fähigkeiten zu vertiefen.
Soziales Lernumfeld: Wir bieten verschiedene Möglichkeiten für gemeinsames Lernen in größeren Gruppen an, sei es durch Klassenfahrten, Projekttage/-wochen, Schüleraustausch oder Kooperationen mit anderen Schulen sowie außerschulischen Partnern.
Integrierte Fördermaßnahmen: Zusätzlich zu diesen verschiedenen Maßnahmen wird auch im Unterricht durch integrierte Fördermaßnahmen den individuellen Bedürfnisse aller Schülerinnen und Schüler Rechnung getragen. Binnendifferenzierung, Methodenvielfalt, offene Arbeitsformen sowie Profile und Förder-/Forderkurse tragen dazu bei, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Begabungen weiterentwickeln können.
"Ein zentrales Ziel heutigen Unterrichts besteht darin, Schülerinnen und Schülern die Grundlagen zu vermitteln, die ihnen ermöglichen, zu lebenslang Lernenden zu werden." (George T. Betts: Das Autonome Lerner Modell: Individualisierter Unterricht, ubers. v. W. Proges, in:Christina Fischer, Franz J. Mönks, Ursel Westphal (Hrsg.): Individuelle Förderung: Begabungen entfalten - Persönlichkeit entwickeln, Allgemeine Forder- und Förderkonzepte, Berlin 2008, S. 42.)
Daher ist es unser Anliegen, dass die Kinder und Jugendlichen mit Neugier und Freude lernen, selbst denken und Fragen stellen sowie kreative Lösungen finden und Antworten eigenständig erarbeiten können. Sie können ihr Potential in diesem Entwicklungsprozess entfalten und erwerben die notwendigen Kompetenzen, damit sie als verantwortungsvolle Mitglieder der Gesellschaft, die Zukunft aktiv mitgestalten.
Sekudarstufe I
In der Sekundarstufe I beginnt die individuelle Förderung bereits mit der Wahl des jeweiligen Profils (Englisch bilingual, Naturwissenschaften, Musik, Sport) in der 5. Klasse. Zudem werden verschiedene Förderkurse angeboten (Deutsch, Mathe, Englisch). Der AG-Bereich mit vielen verschiedenen Angeboten eröffnet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, ihren individuellen Interessen nachzugehen. Sprachlich besonders begabte Schülerinnen und Schüler erhalten im WPI-Bereich ab der 7. Klasse die Möglichkeit des Doppellernens, d.h. Französisch und Latein als zweite Fremsprache parallel zu erlernen. Für die bilingualen Schülerinnen und Schüler gibt es in der 7./8. Klasse die Möglichkeit, an der Englandfahrt teilzunehmen. Zudem besteht eine Schulpartnerschaft und Austauschprogramm mit mit der französischen Partnerschule Collège du Chateau in Morlaix (Bretagne). Auch der Ghana-Austausch bietet interessierten Schüler*innen die Gelegenheit, ganz besondere Erfahrungen zu sammeln.
Im WPII-Bereich (9./10. Klasse) können die Schülerinnen und Schüler zwischen verschiedenen Angeboten auswählen und so ihre individuellen Interessen weiter verfolgen - sei es im sprachlichen, naturwissschaftlichen, gesellschaftswissenschaftlichen oder künstlerisch-musischen Bereich. Die JIA, die Junior-Ingenieur-Akademie, z.B. richtet sich an Schülerinnen und Schüler, die besonders an der Praxis interessiert sind und die Arbeit von Wissenschaftler*innen, Ingenieur*innen und Forscher*innen kennenlernen wollen. Dazu kooperiert das SGE mit Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Forschung.
Sekundarstufe II
Auch in der Sekundarstufe II besteht die Möglichkeit, die eigenen Begabungen weiterzuentwickeln (Projekte, Leistungskurse, Projektkurs, Facharbeit etc.). Bei entsprechendem Interesse können besonders begabte Schülerinnen und Schüler bereits Veranstaltungen z. B. an der RWTH ("Studieren vor dem Abi" https://www.rwth-aachen.de/cms/root/studium/beratung-hilfe/beratung-und-angebote-fuer-schuelerinnen/angebote-fuer-schuelerinnen-und-schueler/~efu/studieren-vor-dem-abi/ ) besuchen.
In Kooperation mit der RWTH und der FH können Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe II das Angebot des Talentscouting wahrnehmen, um so bezüglich ihrer Talente und Begabung Hilfestellung/Beratung/Unterstützung zu ihren Möglichkeiten (z.B. Stipendien, ...) und beruflichen Zukunft zu erhalten.
Sowohl in der Sek I als auch in der Sek II ist die Teilnahme an verschiedenen Wettbewerben, Konzerten und Aufführungen möglich. Zudem bieten auch außerschulische Lernorte, z.B. bei Exkursionen, Gelegenheit, die eigenen Begabungen und Talente zu eruieren. Darüber hinaus haben die Schülerinnen und Schüler, die Möglichkeit, im Schulsanitätsdienst tätig zu werden, sich als Mentoren*innen in der Erprobungsstufe, beim Lesementoring in der Stadtbibliothek oder bei den Grundschulforscher*innen, bei den Pausenangeboten oder auch im Nachmittagsbereich zu engagieren.
Hier finden Sie zu jedem Fach nähere Informationen zur individuellen Förderung sowie zur Begabtenförderung am SGE:
Sprachen | Gesellschaftswissenschaften | MINT | ||
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2. Rechtliche Grundlage
Alle Schülerinnen und Schüler sollen unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Lage, Herkunft und Geschlecht die Möglichkeit erhalten, ihre individuellen Potenziale und Chancen zu nutzen und zu entfalten. Dieses „Recht auf Bildung, Erziehung und individuelle Förderung“ ist im Schulgesetz §1 des Landes NRW festgeschrieben und bildet die Grundlage der pädagogischen und didaktischen Arbeit an der Schule. Zugleich nimmt das Schulgesetz auch die besonders begabten Schülerinnen und Schüler in den Blick §2 (11): "Besonders begabte Schülerinnen und Schüler werden durch Beratung und ergänzende Bildungsangebote in ihrer Entwicklung gefördert." (Vgl. bass.schul-welt.de/6043.htm, letzter Zugriff: 15.08.2024)
3. Was ist Begabung bzw. Hochbegabung?
Wenn bei den Schülerinnen und Schülern die oben von Einstein erwähnte "Leidenschaft" und "Neugier" in verschiedenen Bereichen wie Sprachen, Naturwissenschaften, Kunst, Musik oder Sport geweckt und gefördert wird, erhalten sie die Chance, ihre individuellen Begabungen zu entdecken und weiterzuentwickeln. Begabungen sind nämlich keine festen, unveränderlichen Eigenschaften; vielmehr unterliegen sie Entwicklungsprozessen und sind eng mit den jeweiligen Bedingungen verknüpft, wie etwa dem Lernumfeld und den angebotenen Lernmöglichkeiten. (Vgl. dazu www.bra.nrw.de/system/files/media/document/file/besond_begab_schul.pdf, S. 11)
Begriffsklärung
Bei der Beschäftigung mit dem Themenkomplex der Begabung bzw. Hochbegabung und der Begabtenförderung stößt man immer wieder auf Termini, die teils synonym verwendet werden, obwohl sie nicht immer identische Inhalte beschreiben. Darüber hinaus existieren verschiedene Hochbegabungsmodelle, die darauf abzielen, diesen multi-dimensionalen Bereich zu erfassen. Dabei werden bisweilen verschiedene Terminologien verwendet, obwohl es um denselben Sachverhalt geht. (vgl. dazu Birgit Lehfeldt, Besondere Schüler - Was tun? Hochbegabung in der Sek. I, Diagnose, Handlungsstrategien und Förderung, Mülheim an der Ruhr, 2018, S. 16ff)
Daher soll hier zunächst einmal kurz skizziert werden, was unter den Begriffen "Begabung", "Talent" oder "Potenzial" verstanden wird bzw. inwiefern sie sich unterscheiden.
Vorweg ist festzuhalten, dass es sich bei diesen Begrifflichkeiten ebenso wie bei der "Hochbegabung" um Konstrukte handelt. Sie wurden "erfunden", um besondere Leistungen von Menschen erklären, und nicht, um real existierende menschliche Eigenschaften zu erfassen. Konstrukte lassen sich selbst nicht unmittelbar beobachten, sondern werden aus der Beobachtung bestimmter Indikatoren erschlossen. (Vgl. Albert Ziegler: Hochbegabung, 2. Aufl. München 2017, S. 17 und vgl. Franzis Preckel, Tanja Gabriele Baudson: Hochbegabung, Erkennen, Verstehen, Fördern, München 2013, S.10).
Begriffe "Begabung" und "Hochbegabung"
"Begabung bezeichnet allgemein das leistungsbezogene Potenzial eines Menschen, Hochbegabung entsprechend ein extrem hoch ausgeprägtes Potential." (Franzis Preckel, Tanja Gabriele Baudson: Hochbegabung, Erkennen, Verstehen, Fördern, München 2013, S.10)
Gemeinhin geht man heute von einem dynamischen multidimensionalen Begabungsbegriff aus. Dieser berücksichtigt, dass Begabungen nicht nur Fähigkeiten, sondern auch Persönlichkeitsmerkmale und soziale Kompetenzen umfassen, die sich in einer günstigen sozialen und kulturellen Lernumwelt weiter entwickeln können. Ein positives Lernklima sowie herausfordernder Unterricht können also dazu beitragen, die Lern- und Leistungsmotivation sowie die kognitiven Fähigkeiten zu erhöhen.
Begriff "Potential"
"Potenzial" ist als Begriff breiter angelegt als der Begabungsbegriff und zielt auf vorhandene, noch nicht (vollständig) genutzte Entwicklungsmöglichkeiten. Durch passende Angebote und Lernherausforderungen können diese Potenziale tatsächlich verwirklicht werden.
Begriff "Talent"
Der Begriff "Talent" zielt auf eine Begabung, die bereits entwickelt wurde und z.B. in bestimmten Bereichen offenkundig ist bzw. als (überdurchschnittliche) Leistung erbracht wird. So spricht man beispielsweise von einem mathematischen oder musikalischen Talent. (Vgl. zu den Begriffen "Begabung", "Potential" und "Talent: www.leistung-macht-schule.de/files/230629_Homepape_Begriffsklaerung.pdf, Zugriff am 05.06.2024)
Prof. Dr. Albert Ziegler sieht die sogenannte delphische Definition, die auf Expertenurteilen über den voraussichtlichen Lern- und Leistungsverlauf einer Person basiert, im Kontext des "Durcheinanders" in der Hochbegabungsforschung als günstiger an. In diesem Kontext differenziert er zwischen dem Begriff "Talent", der eine Person beschreibt, die potenziell in der Lage ist, Leistungsexzellenz zu erreichen, dem "Hochbegabten", der mit hoher Wahrscheinlichkeit Leistungsexzellenz erlangen wird, und dem "Experten", der diese Leistungsexzellenz bereits sicher erreicht hat (Vgl. dazu A. Ziegler, S. 17).
4. Hochbegabungsmodelle
Eine umfassende Darstellung der unterschiedlichen Modelle zur Hochbegabung kann an dieser Stelle aufgrund des Umfangs und der Komplexität nicht erfolgen. Dennoch sollen die zentralen Modelle zum Zwecke einer Übersicht kurz präsentiert werden.
Das "Drei-Ringe-Modell" (Renzulli)
In den 1970er Jahren entwickelte Joseph Renzulli das sogenannte "Drei-Ringe-Modell". Seiner Vorstellung nach ist Hochbegabung nicht angeboren, sondern entwickelt sich, wenn drei Eigenschaften, nämlich Intelligenz, Kreativität und Motivation "task commitment" sehr stark ausgeprägt sind und optimal zusammenwirken. (vgl. dazu B. Lehfeldt, S. 27; F. Preckel/T. G. Baudson, S15f.; A. Ziegler, S. 49)
Das "Triadische Interdependenzmodell" (Mönks)
In seinem "Triadischen Interdependenzmodell" ergänzt Mönks Renzullis Modell durch Hinzufügung der "Umweltfaktoren": Die Entwicklung einer Hochbegabung findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern benötigt eine günstige Lernumgebung. Dabei kommt sowohl der Familie, der Peer-Gruppe und der Schule eine besondere Rolle zu. (Vgl. dazu A. Ziegler, S. 49 und B. Lehfeldt, S. 28)
Das Differenzierte Begabungs- und Talentmodell (Gagné)
Der Begabungsforscher François Gagné strebte mit seinem Differenzierten Begabungs- und Talentmodell danach, die Entwicklung von hochbegabtem Verhalten und Leistungsexzellenz umfassender darzustellen. Er betrachtet Begabungen als angeboren, betont jedoch, dass sie Anregung und Förderung benötigen. Talent definiert er als besondere Leistung, die durch systematische Entwicklung von Fähigkeiten entsteht, so dass man in einem bestimmten Bereich zur Expertin oder zum Experten wird. Da es eine Vielzahl an Begabungen gibt, kann sich Talent in unterschiedlichen Bereichen zeigen. Der Entwicklung von der Begabung hin zur Leistungsexzellenz erfordert systematisches Lernen, Training und Übung. Energie und Ausdauer sind dabei essenzielle Eigenschaften, sogenannte intrapersonale Katalysatoren. Darüber hinaus spielen auch das persönliche Umfeld und weitere äußere Rahmenbedingungen (Umwelt-Katalysatoren) eine wichtige Rolle: Eltern und Lehrkräfte haben seiner Ansicht nach einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung. (vgl. dazu F. Preckel/T. G: Bauson, S. 16 f.)
Das Münchner Begabungsmodell (Heller)
Das Münchner Begabungsmodell, das unter der Leitung von Kurt Heller entwickelt wurde (vgl. A. Ziegler, S. 50f.), stellt eine umfassende Verbindung zwischen verschiedenen Begabungsbereichen, Persönlichkeitsmerkmalen und Umweltfaktoren her. Es wird besonders betont, dass positives Zusammenwirken dieser Faktoren entscheidend ist, um herausragende Leistungen zu erzielen.
Das Modell berücksichtigt eine Vielzahl von Leistungsfeldern, wie beispielsweise Mathematik, Sprachen und Kunst, sowie unterschiedliche Begabungsfaktoren, darunter intellektuelle Fähigkeiten, kreative Talente und soziale Kompetenzen. Darüber hinaus werden non-kognitive Persönlichkeitseigenschaften wie Leistungsmotivation, Stressbewältigung sowie Lern- und Arbeitsstrategien in den Kontext der Begabung eingeordnet. Auch die Umweltbedingungen – etwa die familiäre Lernumgebung, das Familienklima und die Qualität der Instruktion, das Klassenklima – spielen eine wesentliche Rolle.
Trotz Kritik an diesem Modell hebt A. Ziegler hervor, dass das Münchner Hochbegabungsmodell zu Recht als eines der führenden Modelle in diesem Bereich angesehen wird (vgl. A. Ziegler, S. 50f.; B. Lehfeldt, S. 28).
Das "Integrative Begabungsmodell" (Fischer)
Das „Integrative Begabungsmodell“ von Christian Fischer basiert auf den Modellen von Gagné und Heller. Nach diesem verfügt eine Person über ein angeborenes Begabungspotential. Sie befindet sich beim Heranwachsen in einem fortwährenden Lern- und Entwicklungsprozess, der verschiedenen Einflüssen (z. B. Umwelt, Persönlichkeitsfaktoren wie Leistungsmotivation oder Lernstrategien) ausgesetzt ist bzw. in Wechselwirkung mit diesen steht. In einem günstigen Zusammenspiel aller Faktoren entwickelt sich die Begabung bzw. Hochbegabung, so dass das ursprüngliche Potenzial schließlich in Leistung umgesetzt werden kann. Potential ist demnach nicht gleich als Leistung zu verstehen und das vorhandene Potential garantiert auch nicht automatisch später tatsächlich gezeigte Leistung.
(vgl. B. Lehfeldt, S. 28ff. und netzwerk-begabung.net/data/documents/04_2_Fischer_Strategien.pdf, S. 1f., letzter Zugriff 25.08.2024)
5. Wer ist (hoch-)begabt?
In der Forschung gab es wiederholt Versuche, "das prototypische Bild des Begabten" (A. Ziegler, S. 13) in der öffentlichen Wahrnehmung zu erfassen.
Kriterien für Hochbegabung nach Sternberg
Robert Sternberg, ein amerikanischer Psychologe, legte auf Basis seiner Befragungen fünf spezifische Merkmale (Exzellenz, Seltenheit, Produktivität, Beweisbarkeit und Wert) fest, die gegeben sein müssen, um den Begriff der Hochbegabung angemessen zu definieren.
Exzellenz: Dieses Kriterium erfüllen Personen, die - im Vergleich zu ihrer Altersgruppe - in einem bestimmten Bereich bzw. mehreren Bereichen eine überlegene Leistung aufweisen.
Seltenheit: Zudem ist diese ausgeprägte Intensität eines Merkmals bzw. Eigenschaft in der Gruppe der Gleichaltrigen nur selten anzutreffen, wie z.B. eine überdurchschnittlich hohe Intelligenz.
Produktivität: Aufgrund ihrer Begabung sind die Personen in der Lage, besondere Produkte zu schaffen oder besondere Handlungen auszuführen.
Beweisbarkeit: Die Personen können die Hochbegabung bzw. ihre besondere Leistungsfähigkeit bewusst nachweisen, so dass sie in einem validiertem Verfahren wie z.B. einem standardisierten Test dokumentiert werden kann.
Wert: Die Personen zeigen ihr außergewöhnliches Potenzial und ihre herausragende Leistung in einem Bereich, den die Gesellschaft als wichtig erachtet und der kulturelle Anerkennung erhält. Dieses Kriterium schränkt die Definition von Hochbegabung auf jene Bereiche ein, die gesellschaftlich und kulturell von Bedeutung sind.
(Vgl. zu diesen fünf Kriterien A. Ziegler, S. 13 f. und F. Preckel/T.G. Baudson, S. 10ff.)
Diese Kriterien verdeutlichen die Komplexität der Definition und Abgrenzung des Begriffs "Hochbegabung", da die Gültigkeit der Indikatoren ausschließlich im Kontext gesellschaftlicher und kultureller Rahmenbedingungen entsteht. Das Verständnis von "Hochbegabung" variiert demnach in Abhängigkeit von zeitlichen und kulturellen Gegebenheiten. Darüber hinaus erfolgt die Bewertung einer Person in Bezug auf ihre Hochbegabung im Verhältnis zu ihrer Altersgruppe, wobei auch Faktoren wie Herkunft und Geschlecht eine Rolle spielen können. (vgl. F. Preckel/T. G. Baudson, S. 11f.)
Vielfalt der Hochbegabung
"Starre Stereotypen darüber, wie sich Hochbegabung zeigt und wer hochbegabt sein kann, trüben häufig den Blick für die bunte Realität." (vgl. www.fachportal-hochbegabung.de/oid/10046/, letzter Zugriff am 24.08.2024). Preckel und Baudson stellen in ihrem Kapitel "Erkennen von Hochbegabung" fest, dass Hochbegabte keine homogene Gruppe seien. Vielmehr zeigten sich mit steigender Begabung vielfältige Begabungsschwerpunkte sowie unterschiedliche Persönlichkeitskonstellationen. In diesem Kontext betonen sie, dass es „die Hochbegabten“ nicht gebe. (vgl. F. Preckel/T. G. Baudson, S. 26).
Für die Identifikation von Hochbegabung werde, so Preckel und Baudson, oftmals ein Intelligenzquotient (IQ) von 130 oder höher als Grenzwert herangezogen. Es sei dabei zu beachten, dass solche Werte zwar nur in etwa 2 % der Bevölkerung vorkämen, jedoch Hochbegabung so als eine „normale“ Erscheinung innerhalb des Spektrums menschlicher Möglichkeiten betrachtet werden könne. (vgl. F. Preckel/Baudson, S. 27f.)
Die Identifizierung von Hochbegabung erfolge aktuell häufig über individuelle Merkmale der Personen, wobei die Komplexität des Themas, z.B. mit Blick auf die verschiedenen Hochbegabungsmodelle, eine adäquate Diagnostik erschwere. Ihrer Meinung nach berücksichtigen die meisten Verfahren Umwelt- und Entwicklungsaspekte nur unzureichend. (Vgl. F. Preckel/Baudson, S. 28). Hingegen könnten individuelle Eigenschaften wie Intelligenz, Kreativität und Motivation durch psychologische Diagnostik relativ gut erfasst werden und auch die Leistungsmessung gestalte sich oft weniger problematisch. (vgl. F. Preckel/Baudson, S. 28.)
"Typen" von Hochbegabten
Hochbegabung ist vielschichtig und zeigt sich in unterschiedlichen Verhaltens- und Leistungsprofilen. Oft wird in diesem Kontext von "Overachievern" und "Underachievern" gesprochen. Eine weitere Gruppe sind die "Twice Exceptional", die sowohl hochbegabt als auch mit besonderen Bedürfnissen oder Lernschwierigkeiten ausgestattet sind. Neben den genannten Beispielen finden sich noch weitere Profile von Hochbegabten. So differenzieren z. B. Betts und Neihardt zwischen dem erfolgreich Lernenden, dem Herausforderer, dem Rückzieher, dem doppelt oder mehrfach Außergewöhnlichen und dem Selbstbestimmten. (vgl. George T. Betts und Neihart: Profiles oft the Gifted and Talented, in: www.researchgate.net/publication/240729625_Profiles_of_the_Gifted_and_Talented, letzter Zugriff 24.08.2024)
"Overachiever"
Bei den sogenannten "Overachievern" hat man vor allem die hochmotivierten Schülerinnen und Schüler mit hervorragenden Leistungen im Blick. Dabei muss die Hochleistung jedoch nicht gleich Hochbegabung bedeuten. "Overachiever" erbringen Leistungen, die oberhalb ihres eigentlich vorhandenen Potenzials liegen. Diese Leistungen erreichen sie aufgrund von besonderer Kreativität, überdurchschnittlichen Fleiß und praktischer Intelligenz.
(Vgl. auch www.begabungslotse.de/glossar/overachiever, letzter Zugriff 24.08.2024)
"Underachiever"
Bei den sogenannten "Underachievern" handelt es sich um Schülerinnen und Schüler, die ihr hohes intellektuelles Potenzial nicht in sichtbare Leistung umsetzen können. Sie erbringen nicht die Leistung, die man von ihnen augrund ihrer Begabung erwarten könnte. Oft fallen diese Kinder sogar durch schlechte Noten und ihr Verhalten auf. Es kann jedoch auch sein, dass ihre Leistungen durchschnittlich sind, jedoch in Relation zu ihren besonderen Fähigkeiten den Erwartungen nicht entsprechen.
Ursachen für diese Minderleitung können verschieden sein, z.B. Probleme im familiären Umfeld, mangelnde oder fehlende Förderung. Dabei geht es nicht um kurzzeitige Leistungsschwankungen oder -einbrüche, sondern um eine andauernde Diskrepanz zwischen Fähigkeiten und Leistung. Oft mangelt es diesen Hochbegabten bei steigender Leistungsanforderung an den dann notwendigen Vorkenntnissen oder Lernstrategien. Sie haben im Vorfeld oft versäumt, sich diese anzueignen, weil sie die geforderten Leistungen aucuh ohne sie erbingen konnten. Sie zeigen häufig eine sehr negative Einstellung gegenüber Schule und Lernen. (vgl. dazu. F. Preckel/T. G. Baudson, S. 44f. und B. Lehfeldt, S. 92ff.)
"Twice Exceptional"
Hochbegabung und andere Besonderheiten können ein vielschichtiges und komplexes Gesamtbild ergeben, das sich nur schwierig analysieren lässt. Hochbegabte Kinder oder Jugendliche, die noch eine weitere Besonderheit („Twice Exceptional“) zeigen, z. B. eine Lernstörung, eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, etc., werden oft als solche nicht erkannt. Die Stärken und Schwächen können sich teils überlagern und verdecken, so dass die hohe Begabung teils übersehen wird. (vgl. F. Preckel/T. G. Baudson, S. 46f.)
Hochbegabung erkennen - Diagnostik
Wer testet?
Durch Selbsteinschätzung und/oder Beobachtungen von Lehrkräften im Unterricht lässt sich eine mögliche Hochbegabung eventuell zwar vermuten, aber aufgrund der Komplexität dieses Bereichs (siehe oben) nicht sicher feststellen. Der Schulpsychologische Dienst oder qualifizierte Kinderpsychologen führen entsprechende Tests bei schulpsychologischen Fragestellungen durch.
Schulpsychologischer Dienst der Städteregion Aachen:
6. Beratung und Kontakt am SGE
Über die verschiedenen Angebote in den einzelnen Fächern informieren die Lehrkräfte sowie auch die Fachschaften im Unterricht und auch individuell.
Gerne kann auch ein persönliches Beratungsgespräch zu den verschiedenen Möglichkeiten der Begabungsförderung und möglichen Stipendien vereinbart werden. Ansprechpartnerin ist Frau Hoffmann-Mayer.
Kontakt: d.hoffmannmayer@gymnasiumeschweiler.de
7. Literatur und Internetquellen
Literatur:
George T. Betts: Das Autonome Lerner Modell: Individualisierter Unterricht, ubers. v. W. Proges, in:Christina Fischer, Franz J. Mönks, Ursel Westphal (Hrsg.): Individuelle Förderung: Begabungen entfalten - Persönlichkeit entwickeln, Allgemeine Forder- und Förderkonzepte, Berlin 2008, S. 42-52.
Birgit Lehfeldt: Besondere Schüler - Was tun? Hochbegabung in der Sek. I, Diagnose, Handlungsstrategien und Förderung, Mülheim an der Ruhr, 2018.
Franzis Preckel, Tanja Gabriele Baudson: Hochbegabung, Erkennen, Verstehen, Fördern, München, 2013.
Albert Ziegler: Hochbegabung, 2. Aufl. München, 2017.
Internetquellen:
www.bra.nrw.de/system/files/media/document/file/besond_begab_schul.pdf
www.fachportal-hochbegabung.de/oid/10046/
www.leistung-macht-schule.de/files/230629_Homepape_Begriffsklaerung.pdf
netzwerk-begabung.net/data/documents/04_2_Fischer_Strategien.pdf
George T. Betts und Neihart: Profiles oft the Gifted and Talented, in: www.researchgate.net/publication/240729625_Profiles_of_the_Gifted_and_Talented
de.wikiquote.org/wiki/Albert_Einstein