“Lernbrückenplaner” am SGE – Konzept zur Krisenbewältigung 2020
Mit der pandemiebedingten Schulschließung am 13.03.2020 erfolgte eine tiefe, bisher nicht in
vergleichbarer Form dagewesene Zäsur im Entwicklungs- und Bildungsverlauf unserer Schülerinnen
und Schüler. Analog zu einem Schiffbruch waren mit einem Mal sämtliche bekannten Strukturen und
Abläufe nicht mehr in gewohnter Weise nutzbar. Der gesamte schulische Lernprozess musste binnen
kürzester Zeit in ausschließlich digitale Formen transformiert werden. Während dies bei den einen zu
ungeahnter Selbständigkeit und eigenverantwortlichem Handeln führte, waren andere aus
verschiedensten Gründen mit der Situation überfordert und eher handlungsunfähig. Die Krise, in der
jeder von uns mit seinen eigenen persönlichen Themen und Problemen konfrontiert wird, verstärkte
damit auch die Heterogenität in unserer Schülerschaft. Mit der Entwicklung eines speziellen “Corona-
Beratungskonzeptes“ wurde dieser Problematik am SGE begegnet.
I. Team “Lernbrückenplaner”
Angeregt durch das Berliner Hilfsprojekt “LernBrücken”* wurde schon bald das Team
“Lernbrückenplaner” ins Leben gerufen. Während im Berliner Modell die Jugendhilfe bei der
Umsetzung einbezogen wird, wurde hier mit den innerschulischen Ressourcen gearbeitet. Im
Team “Lernbrückenplaner” sollten die bereits bestehenden vielfältigen Hilfestellungen für
benachteiligte SuS zusammenfließen und koordiniert werden. Ziel war es, die “ins Schwimmen”
geratenen SuS besonders zu unterstützen, um nachhaltigen Beeinträchtigungen ihrer
Bildungsbiographie vorzubeugen.
II. Organisationsstruktur
Im Team arbeiten die Erprobungsstufenkoordinatorin, die Ganztagskoordinatorin, eine
Schulsozialarbeiterin, eine Fachkraft im multiprofessionellen Team, eine Sonderpädagogin und
eine Beratungslehrerin zusammen. Es finden regelmäßig Videokonferenzen statt, die Austausch
und Aufgabenverteilung ermöglichen. Ein Protokoll dient zur Information, falls jemand nicht
synchron teilnehmen kann. Kurzfristige Veränderungen bzw. wichtige Informationen zu einzelnen
Kindern können zwischen den Videokonferenzen im Team-Chat mitgeteilt werden.
III. Ermittlung des Adressatenkreises
1. Priorisierung
Im Vorfeld der ersten Sitzung wurden Rückmeldungen der Klassenlehrerinnen und –lehrer
gesammelt, die unter Einbeziehung der Rückmeldungen der jeweiligen Fachlehrer erstellt worden
waren. Anhand einer auf dieser Grundlage angefertigten priorisierten Schülerliste wurde zunächst
über die stark betroffenen SuS beraten. Dabei zeigte sich, dass bereits ein erheblicher Teil dieser
Kinder von der Schulsozialarbeit betreut wurde – aus dem Homeoffice oder auch im Rahmen der
Notbetreuung vor Ort für die Kinder der in “systemrelevanten” Berufen arbeitenden Eltern.
Die bis dahin noch nicht kontaktierten Kinder wurden von Teammitgliedern zur telefonischen
Kontaktaufnahme und Situationsklärung übernommen. Über die SuS der beiden Internationalen
Klassen wird in eigenen Teams beraten.
In der folgenden Sitzung wurde über die SuS aus dem “schwachen Mittelfeld” beraten. Bei einigen
zeigte sich zwischenzeitlich, dass Anfangsprobleme behoben werden konnten, bei anderen war
die Situation weiterhin problematisch. Einige dieser Kinder wurden bereits kontaktiert, die
übrigen wieder von Teammitgliedern zur Kontaktaufnahme übernommen.
2. Ergänzung
Um sicherzustellen, dass alle unterstützungsbedürftigen Kinder erreicht und die verfügbaren
personellen und technischen Ressourcen möglichst gerecht aufgeteilt werden, wurde eine
erneute Rückfrage an die Klassenlehrerinnen und –lehrer gestellt nach weiteren Kindern, denen
mit einer punktuellen Betreuung (“Anschubförderung”) geholfen werden könne. Weiterhin wurde
explizit dazu ermuntert, “Neuzugäng” zu benennen, die sich erst später als problematisch gezeigt
hatten.
3. Fluktuation
Die zu unterstützende Gruppe von SuS muss immer wieder neu gesichtet werden, da sich
einerseits Probleme lösen bzw. diese gelöst werden, andererseits manche Probleme erst nach und
nach sichtbar werden. Die Freiwilligkeit der Inanspruchnahme von Unterstützung bedingt
ebenfalls einen steten Wandel und erfordert eine große Flexibilität der Betreuenden. In welchem
Umfang Unterstützung in Anspruch genommen wird, liegt in der freien Entscheidung der
jeweiligen SuS und ihrer Eltern. Diese Freiwilligkeit und Flexibilität sind sicher ein wesentlicher
Grund dafür, dass das Angebot positiven Zuspruch findet.
IV. Formen der Unterstützung
Um im Bild des Schiffbruchs zu bleiben, brauchen alle SuS sowie deren Familien an einer anderen
Stelle Unterstützung und Hilfe. Dabei reicht die Palette von einem empathischen und
ermutigenden Telefonat über persönliche Anleitung bei der Einrichtung und Nutzung der digitalen
Plattform bis hin zur Vermittlung von Endgeräten. Auf Initiative der Schule konnten 15 Rechner
kostengünstig angeschafft werden, die von SuS ohne Endgeräte erworben werden konnten bzw.
können. Mit Unterstützung des Fördervereins ist der Erwerb zum ohnehin kostengünstigen
Gesamtpreis nochmals abgefedert worden durch das Angebot einer lang gestreckten
Ratenzahlung, in die ggfs. ein staatlicher Zuschuss von 150,00 €, der je nach persönlicher Lage
beantragt werden kann, einfließen konnte, aber nicht musste. An der Gewinnung weiterer
technischer Ressourcen wird gearbeitet.
Ein wichtiger Schritt war die frühe Einrichtung einer zweiten Notbetreuung im Selbstlernzentrum
unserer Schülerbibliothek, um auch SuS unterstützen zu können, deren Eltern nicht in den
sogenannten systemrelevanten Berufen arbeiten. Diese SuS finden hier einen Ort und Menschen,
die ihnen bei ihren jeweiligen ganz konkreten Problemen und Schwierigkeiten weiterhelfen. Im
Betreuungsteam arbeiten Schulsozialarbeiterinnen, unsere Bibliothekarin, eine Sonderpädagogin
sowie Eltern aus dem Bereich der Hausaufgaben-Betreuung zusammen. Arbeitsmaterialien
werden gesichtet, gedruckt und ausgegeben, die Kinder werden bei der Erarbeitung inhaltlich
unterstützt und an den Rechnern in technischer Hinsicht weitergebildet.
Fazit
Klare Rahmenbedingungen bei gleichzeitig größtmöglicher Gestaltungsfreiheit auf der Basis von
engem Kontakt zu den SuS sowie guter Teamarbeit in verschiedenen Zusammensetzungen haben
dazu geführt, dass Resilienzförderung in dieser außergewöhnlichen Krisensituation möglich
wurde. Durch die mit Tatkraft und Fingerspitzengefühl initiierten unterstützenden Maßnahmen
und Strukturen können SuS in dieser Krise in ihrem Lern- und Entwicklungsprozess gestärkt
werden, der bei positivem Verlauf durchaus eine Chance darstellt, zu reifen und zu wachsen –
manchmal sogar über sich selbst hinaus. Die entwickelten Strukturen können in der Zukunft
jederzeit sehr kurzfristig aktiviert werden und bieten damit mehr Sicherheit für alle Beteiligten.